Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Elia Contini 03 - Das Verschwinden

Elia Contini 03 - Das Verschwinden

Titel: Elia Contini 03 - Das Verschwinden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Fazioli
Vom Netzwerk:
diese Papiere seien etwas, woran Natalia sich erinnerte, und den Brief vorerst verschweigen. Und sie konnten Dr. Mankell fragen: Der war schließlich der Praxiskollege von Natalias Vater, und vielleicht wusste er ja, was es mit den Papieren auf sich hatte.
    Das Gesetz über Organisation und Verfahrensweise im Kindes- und Erwachsenenschutzrecht unterteilt das Tessin in achtzehn Bezirke. Für jeden Bezirk ist eine regionale Vormundschaftskommission zuständig, bestehend aus einem Vorsitzenden, einem ständigen Mitglied und einem Abgeordneten der Heimatgemeinde der Person, deren Fall verhandelt wird. Jedes Kommissionsmitglied hat einen Stellvertreter, und jeder Kommission steht ein Sekretär zur Verfügung.
    Alles in allem, befand Brenno Bonetti, eine recht wendige Struktur.
    Nach den tausend Ärgernissen und Scherereien, die er als Jugendrichter erlebt hatte, war die Kommission keine übermäßig aufwändige Arbeit für ihn. Eigentlich war es gar keine Arbeit im strengen Sinn, sondern eine angenehme Beschäftigung für einen Pensionisten, der für Kartenspiele nichts übrig hat und das Spazierengehen hasst.
    Natalias Fall verfolgte er mit besonderer Aufmerksamkeit. Seine Kollegen in der Kommission murrten und fühlten sich ausgegrenzt, aber Bonetti hatte ihnen erklärt, er müsse sich dieses Falls persönlich annehmen, weil er in freundschaftlichem Verhältnis zu Natalias Eltern gestanden habe. Und überhaupt brauche es in einem Fall wie diesem, dem so viel öffentliche Aufmerksamkeit zuteilwerde, einen Mann von seiner Erfahrung und Kompetenz.
    Am 11. August machte sich Brenno Bonetti auf den Weg, um Natalia aufzusuchen und sich persönlich zu überzeugen, welche Fortschritte sie machte. Natürlich war ihm klar, dass man sich von einem posttraumatischen Stresssyndrom nicht binnen Tagen erholt, im Gegenteil – bei Amnesie kommt es vor, dass die Verdrängung vollständig ist und die betroffene Person sich der traumatisierenden Ereignisse nie mehr erinnert.
    Natalia saß im Garten der Familie Canova. Gesellschaft leisteten ihr Dr. Mankell und dieser Contini, der es offensichtlich fertigbrachte, immer und überall dabei zu sein.
    »Grüezi miteinander!«, sagte Bonetti.
    Die Männer erwiderten den Gruß, und Natalia starrte ihn sekundenlang mit gerunzelter Stirn an, als versuchte sie sich angestrengt an irgendetwas zu erinnern. Dann lächelte sie, leicht nervös, ohne ein Grußwort. Bonetti bemerkte – und erwähnte es halblaut gegenüber Mankell – ihr blühendes Aussehen.
    »Das sind die Spaziergänge«, erklärte der Arzt. »Natalia geht jeden Tag vier, fünf Kilometer, allein oder mit Giovanni. Je besser ihre körperliche Verfassung, desto schneller kehrt auch die Sprache zurück.«
    Wenn du meinst, dachte Bonetti. Laut fragte er: »Gibt’s was Neues?«
    »Das Versteck«, sagte Giovanni Canova.
    Bonetti hatte den Jungen, der ein Stück abseits mit Farbdosen und Pinsel hantierte, gar nicht gesehen.
    »Natalia hat sich an etwas erinnert«, erklärte Mankell. »Auf ihrer Flucht durch den Wald hatte sie Papiere dabei, Unterlagen vom Schreibtisch der Eltern, die sie mitgenommen hat. Sie sagt, sie hat sie irgendwo versteckt, weiß aber nicht mehr, wo, und es ist möglich, dass ein Zusammenhang mit dem Verbrechen besteht.«
    Bonetti musterte Contini, der noch kein Wort gesagt hatte, mit scheelem Blick. »Ich gehe davon aus, dass solche Informationen nicht in der Presse verbreitet werden«, sagte er scharf.
    »Ich verbreite gar nichts«, antwortete Contini.
    »Das hoffe ich!« Bonettis Augen funkelten hinter den dicken Brillengläsern hervor. »Wer hat alles Kenntnis von diesen Unterlagen?«
    »Na, nur wir«, antwortete Mankell. »Ich und Giovanni und Contini ebenfalls.«
    Bonetti wollte etwas sagen, doch Contini stoppte ihn mit einer Handbewegung und wies auf Natalia. Alle Blicke richteten sich auf das Mädchen.
    »Ich muss mit der Polizei reden«, sagte Natalia. »Aber ich bin nicht sicher.«
    Sie verstummte wieder.
    »Wobei bist du dir nicht sicher?«, fragte Contini.
    »Weiß nicht. Es ist wieder was falsch in meiner Erinnerung. Etwas stimmt nicht.«
    Im ersten Moment sahen alle einander ratlos an, dann räusperte sich Mankell und sagte: »Ich würde einstweilen empfehlen, unsere Rekonvaleszentin nicht zu sehr mit Fragen zu bedrängen.«
    »Einverstanden«, sagte Bonetti. »Ich meine, die Polizei sollte über die Papiere informiert werden, allerdings unter dem Vorbehalt, dass Natalia nicht drangsaliert wird. Und vor

Weitere Kostenlose Bücher