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Elidar (German Edition)

Elidar (German Edition)

Titel: Elidar (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Gerdom
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tapferer Gefährte. Sie spürte, wie der letzte, kostbare Rest ihrer Kraft unwiederbringlich verrann, aber war sie es ihm nicht zumindest schuldig, ihn von seinen Schmerzen zu erlösen?
    Sie blieb stehen und beugte sich über ihn. Ihr Feuer war nahezu erloschen, also konnte sie ihm nicht den schnellen Tod durch Einäscherung schenken. Aber es war nur noch so wenig Leben in ihm, dass ein zerfetzender Schlag mit ihrer gesunden Klaue genügen musste.
    Der Blick aus seinem Auge folgte ihr, und sie sah, dass er erkannte, was sie für ihn tun wollte. Er schloss und öffnete das Auge zu einer schmerzlichen Bestätigung. »Danke, Herrin«, hörte sie ihn flüstern.
    Sie verlagerte ihr Gewicht, um den Schlag ausführen zu können, wobei sie den Gefährten nicht aus den Augen ließ. Wie war sein Name? Er hatte einen Namen, und er verdiente es, dass sie ihn nannte, bevor er starb.
    »Sao-Tan«, sagte sie laut, und ihre Klaue verharrte im Schlag. »Sao-Tan, warum bist du mir gefolgt?«
    Er konnte nicht antworten, aber sein versehrter Blick flehte um Erlösung.
    Ein Schrei der Enttäuschung brach aus ihrem Inneren. Sie würde die Sterne nicht mehr sehen. Eine kurze, heftige Transformation, die ihre Qual ins Unermessliche steigerte, dann kroch die Menschenfrau zu ihrem sterbenden Gefährten und sank neben ihm zu Boden. Wieder lag sie und lauschte dem Gesang der Schmerzen.
    Ihr gequälter Blick ruhte auf einem schimmernden Gegenstand, der dicht neben ihrer Hand zu Boden gefallen war. Schimmernd wie Drachenhaut und Mondlicht. Sie bewegte die Finger und berührte ihn. Das Buch. All die Stunden, die sie in diesem Buch gelesen hatte, umsonst. Es war ihr nie gelungen, das Mondlicht zu ihrem Werkzeug zu machen.
    Silberschimmer kroch ihr von dem Büchlein entgegen und floss über ihre Hand. Weich und lindernd, kühl und Frieden spendend. Sie genoss das Streicheln, lockte es, umwarb es, öffnete sich für seine sanfte Kraft. Drachenlicht, flüsterte sie. Komm zu mir und erfülle mich.
    Das Drachenlicht gehorchte ihrem sachten Ruf. Es floss über ihre Hände, umschmeichelte ihre Arme, glitt besänftigend über die schmerzenden Glieder, sank wie Balsam in ihr Inneres, flößte ihr Kraft ein.
    Elidar richtete sich auf die Ellbogen auf und hob die Hände. Das reich fließende Silberlicht tropfte wie Wasser von ihren Fingern, und als es Sao-Tans zerschlagenes, blutiges Gesicht berührte, hob sich seine Brust in einem schwach zitternden Atemzug.
    Elidar stemmte sich auf die Knie. Sie ließ das Drachenlicht über seinen geschundenen Körper fließen, und als ihr das Rinnsal zu dünn und zu unzulänglich erschien, gemessen an seinen Verletzungen, bat sie das Licht demütig um eine größere Gabe. Ihre Bitte wurde erhört, aber auf andere Weise, als sie erwartet hatte.
    Statt des erwarteten sanften Stroms spürte sie, wie das Drachenlicht sich mit der Gewalt eines Kataraktes den Weg durch ihr Innerstes nach außen brach, und erkannte, dass es sie zerreißen würde. Es gab nichts, was sie dieser Kraft entgegensetzen konnte, die alle Dämme zerstörte wie eine Springflut, und sie mit sich wirbelte wie ein Boot auf schäumender Gischt.
    Mit letzter Kraft leitete sie den Strom nach außen und zu ihrem Gefährten. Das Licht explodierte über seinem Leib und hüllte ihn in eine silberne Wolke, die ihr Blick nicht durchdringen konnte. Sie hielt dem reißenden Strom stand, obwohl sie wankte und die Knochen und Sehnen ihrer Hände unter der Gewalt, die sie lenkte, zu bersten drohten.
    Dann war es vorbei. Das Licht verlosch mit einem Schlag und ließ sie geblendet und kraftlos zurück. Sie wankte und brach über Sao-Tans Körper zusammen.
    Er bewegte sich. Sein Arm löste sich vom Boden und legte sich um sie. Er sagte ihren Namen, und seine Stimme war voller Staunen.
    Elidar öffnete die Augen und sah ihm ins Gesicht, das eben noch eine blutige, formlose Masse gewesen war.
    Er sah sie aus zwei gesunden Augen an, und die Verwunderung und die Ehrfurcht in seinem Blick waren grenzenlos. Blutverschmiert war er, geschunden und schmutzig, aber er lebte, und seine entsetzlichen Wunden hatten sich geschlossen.
    »Sao-Tan«, sagte sie, und ihr Staunen war nicht geringer als seines. Sie erwiderte seine Umarmung, und nur noch ein dumpfes Echo erinnerte bei dieser Bewegung an ihre eigenen Schmerzen. Lange hielten sie sich umschlungen.
    Dann löste sich Elidar und richtete sich auf. »Wir dürfen hier nicht bleiben.« Sie legte die Hand sacht auf seine Wange. »Warum

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