Elidar (German Edition)
ein und verhöhnte sie mit jedem Wort und jedem Atemzug? Elidar erwiderte die Schreie des anderen Drachen mit einem tiefen Brüllen. Hier komme ich, sagte es. Nimm dich in Acht!
Die beiden Drachen umkreisten sich. Feuer tobte zwischen ihnen, heizte die Luft auf, schlug gegen Felsen und sengte über glitzernde Drachenhaut. Elidar versuchte, unter die Königin zu kommen, um ihren weniger gut geschützten Bauch anzugreifen. Aber ehe sie ihr Feuer auf ihre Gegnerin richten konnte, stürzte sich die Königin im Sturzflug auf Elidar und schlug die Klauen in ihren Rücken. Sie zerfetzte ihr den Flügel und ließ Elidar, die weniger Erfahrene, hoch in der Luft ins Trudeln kommen. In einer dichten Spirale stürzten die beiden ab, nacheinander schnappend und Feuer speiend.
Im Aufprall löste sich Elidar aus dem Klammergriff der Königin und rollte beiseite. Ihr zerfetzter Flügel geriet dabei unter ihren gepanzerten Leib, und sie hörte, wie Knochen brachen und Sehnen rissen. Mit einem verzweifelten Aufschrei kroch sie zu einem Felsspalt, der gerade groß genug war, um sie aufzunehmen, und drückte sich tief hinein.
Die Königin, die nach dem Aufprall ohne Besinnung liegen geblieben war, kam taumelnd auf die Beine. Ihre Klauen klirrten und kratzten über den Boden, der übersät war mit Geschmeide und goldenem Gerät. »Wo bist du?«, kreischte sie. »Wo ist das feige Gewürm? Zeig dich, damit ich dich in Stücke reiße! Du bist nicht würdig, mein Erbe anzutreten, elender Würmling!«
Elidar drehte sich unter Schmerzen in der engen Spalte. Wenn sie sich nun zurück in einen Menschen verwandelte, würde die Königin sie hier in ihrem Gefängnis rösten, ohne dass sie etwas dagegen unternehmen konnte. Oder reichten ihre Kräfte aus, um sie zu schützen?
Sie musste es riskieren. Sie steckte fest, und wenn sie sich aus dem Spalt wagte, konnte die Königin sie in aller Ruhe zerfleischen.
Sie schrie auf, als die Verwandlung ihren Lauf nahm. Der Drachenleib war erstaunlich unempfindlich gegen Schmerzen, aber ihr menschlicher Körper war das nicht. Es schien, als sei jeder Knochen in ihrem Leib gebrochen und die Haut in Fetzen gerissen worden. Sie sank in die Knie und kämpfte darum, bei Bewusstsein zu bleiben. Sie würde sich wieder zurückverwandeln, aber zuerst musste sie aus dieser verfluchten Felsspalte hinaus, ohne dass die Königin sie bemerkte.
Dann hörte sie den Schrei aus der Höhle: »Menschenwurm! Du dringst hier ein und glaubst, lebendig zu entkommen?«
Im ersten Moment glaubte sie, die Königin beschimpfe sie, um sie aus ihrem Versteck zu locken, aber dann hörte sie eine Stimme rufen: »Meine Herrin ist hier bei Euch. Ich bitte Euch, mich zu ihr zu führen!«
Sao-Tan, dachte sie voller Verzweiflung. Dieser selbstmörderische Verrückte, warum war er ihr gefolgt?
Sie hörte das mordlustige Lachen der Königin. »Deine Herrin«, rief sie, »habe ich in Stücke zerfetzt, zu Asche verbrannt, ins Vergessen geschickt. Willst du ihr dahin folgen, kleiner Mann?«
»Ich folge ihr«, antwortete die Männerstimme. »Und Euch nehme ich mit, mörderische Gottheit!«
»Sao-Tan«, schrie Elidar. Sie stürzte hinaus, und im Laufen verwandelte sie sich erneut. Ihr zerfetzter Flügel hinderte sie daran, in die Luft zu steigen, und so sprang sie in weiten Sätzen durch die Höhle, um sich zwischen Sao-Tan und die Königin zu werfen.
Die Drachin flog dichte Kreise über dem kleinen Menschen und vergnügte sich damit, ihn mit ihren Feuerstößen durch die Höhle zu jagen. Elidar wusste, dass sie nur mit Sao-Tan spielte, um sie aus ihrem Versteck zu locken.
»Hier bin ich, Königin«, donnerte sie und mobilisierte ihre letzten Kräfte, um der Drachin gegenüber zu treten. »Lauf, Sao-Tan. Bring dich in Sicherheit!«
Er verharrte in der Bewegung und starrte zu ihr empor. Sie sah das Entsetzen und die Furcht in seinen Augen, als er sie zum ersten Mal in ihrer vollständigen Drachengestalt erblickte. »Herrin«, keuchte er, und ehe er mehr sagen konnte, fauchte der nächste Feuerstoß heran, gefolgt von einem Klauenhieb, der ihm Haut und Fleisch vom Leib riss, Knochen splittern ließ, ihn von den Füßen fegte und gegen die Wand schmetterte. Er blieb besinnungslos liegen, und Elidar konnte nicht erkennen, ob er noch lebte.
Sie verschloss ihr Herz und ihren Verstand vor allen menschlichen Regungen und stellte sich erneut zum Kampf, wohl wissend, dass es ihr letzter sein würde und dass weder Sao-Tan noch sie diese Höhle lebend
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