Elina Wiik - 02 - Sing wie ein Vogel
Hatten Sie Gelegenheit, ihn näher kennen zu lernen?«
»Persönlich? Nein, nur als Chef.«
»Wie war er als Chef?«
»Zu mir korrekt.«
»Und, wenn ich es so ausdrücken darf, ist er irgendwie aufgefallen? War bei ihm etwas anders im Vergleich zu anderen? In all den Jahren müssen Sie ja viele Personalchefs gesehen haben.«
»Mehr, als ich mich erinnern kann.«
Curt Valdemarsson verzog den Mund bei dieser Wiederholung.
»Er war sehr begierig nach Veränderungen und hat oft davon gesprochen, dass sich das Unternehmen entwickeln und effektiver werden muss. Deswegen mussten wir Leute mit dem richtigen Profil einstellen.«
»Profil? Wie hat er das gemeint?«
»Dass man die Aufmerksamkeit nicht nur auf die berufliche Qualifikation richten sollte. Die Angestellten sollten immer das Beste für das Unternehmen im Auge haben. Für Rationalisierungen offen sein und bereit, für ein gemeinsames Ziel zu arbeiten.«
»Was war denn das Ziel?«
»Der Gewinn des Unternehmens natürlich. Was sonst?«
»Und was bedeutete das genau?«
»Dass man die Leute nach ihrer Haltung fragte, bevor man sie einstellte. Aber ehrlich gesagt, begriffen nicht viele, wovon wir redeten. ›Haltung?‹, sagten sie, ›ich will arbeiten!‹. Und dann erkundigten sie sich nach dem Lohn. Wenn Bergenstrand ihnen erklärte, was er meinte, nickten sie nur. Oder sagten ›Ja, ja, das hat wohl seine Richtigkeit‹.«
»Die moderne Unternehmensphilosophie hatte also praktisch keine Bedeutung?«
»Kaum. Aber es klang sicherlich gut, wenn Bergenstrand seinen Vorgesetzten Bericht erstattete. Nur in einem Punkt war er knallhart.«
»Und das war?«
»Es wurden keine Unruhestifter eingestellt.«
»Unruhestifter?«
Curt Valdemarsson schaute John Rosén eine Weile schweigend an.
»Sie sind noch nie in Norrbotten gewesen?«
»Nein.«
»Wahrscheinlich sind Sie auch noch ein wenig zu jung. Unruhestifter war zu der Zeit nur eine andere Bezeichnung für Kommunisten. Leute, die sich höhere Löhne und bessere Arbeitsbedingungen erstreiken wollten. Die die falsche Veränderung anstrebten.«
»Also Leute mit unterentwickeltem Unternehmensprofil?«
»Genau.«
»Aber woher wusste Bergenstrand, wer Kommunist war? Das stand doch nicht in den Bewerbungsunterlagen?«
»Man konnte es auf andere Art herausbekommen.«
»Und wie?«
Curt Valdemarsson verzog wieder den Mund.
»Das sollten Sie aber wissen«, sagte er. »Leute Ihres Berufsstandes konnten zum Beispiel helfen. Der Geheimdienst hatte alle Kommunisten unter Kontrolle und nicht nur die, sondern auch ihre Familien. Frauen, Kinder, Eltern und Freunde.«
Er erhob sich und begann im Zimmer auf und ab zu gehen.
»Und nicht nur der Geheimdienst. Auch die Sozis hatten sie unter Kontrolle. In diesem riesigen Land hat es nie eine Gruppe gegeben, die so sehr durchleuchtet wurde wie die Kommunisten. Mit Ausnahme des Wolfsbestandes vielleicht. Der schwedische Staat hat immer alles unter Kontrolle gehalten, was von Ausrottung bedroht war.«
»Ich weiß«, erwiderte John Rosén und schaute auf den Tisch.
»Ich weiß es auch«, sagte Curt Valdemarsson plötzlich heftig. »Ich hatte die Nordlichtflamme abonniert, als ich jung war. Glauben Sie nur nicht, Bergenstrand hätte nicht auch das herausbekommen! In seinem Zimmer gab es einen verschlossenen Schrank, einmal konnte ich hineinschauen. In meiner Akte stand ›ungeeignet für eine Beförderung‹. Und eine Notiz über meine Lesevorlieben. Mit seiner Handschrift.«
»Was haben Sie gemacht?«
»Nichts. Doch, ich hab die Flamme gekündigt. Aber da war es bereits zu spät.«
John Rosén öffnete seine Aktentasche, nahm das Foto von Åkesson und Bergenstrand heraus und legte es vor Valdemarsson auf den Couchtisch.
»Kennen Sie die beiden?«
»Bergenstrand kenne ich natürlich. Wer der andere ist, weiß ich nicht.«
»Wiljam Åkesson«, sagte Rosén. »Das Foto wurde vermutlich im Frühling 1962 in Luleå aufgenommen. Sie wissen nicht, ob die beiden etwas gemeinsam hatten?«
»Der Politiker? Der ermordet wurde?«
»Genau der.«
»Seltsam, oder? Nein, ich weiß nichts.«
»Das Bild hinter den beiden an der Wand. Kennen Sie das?«
Curt Valdemarsson drehte sich um und warf einen Blick auf seine eigene Gebirgslandschaft mit Rentieren.
»Solche Bilder gibt es bei vielen Menschen hier oben in Norrbotten. Tiere in der Natur. Ein Elch in jeder Wohnung. Aber diese Variante habe ich noch nie gesehen. Leider.«
John Rosén war noch eine weitere halbe Stunde
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