Elina Wiik - 02 - Sing wie ein Vogel
ist auf der Rückseite.«
»Und es ist natürlich eilig?«
»Åkessons Mörder hat es bestimmt nicht eilig. Der läuft ja irgendwo frei in Schweden herum und stellt eine tödliche Bedrohung für kleine Kinder und süße Pelztiere dar.«
Erkki Määtta seufzte.
»Ich mache es morgen. Heute Nacht kann der Mörder also noch ruhig schlafen. Aber es dauert sicher einige Tage.«
Als Määttä aufgelegt hatte, wählte Elina John Roséns Nummer.
»Vielleicht brauchst du doch nicht zu bleiben«, sagte sie und erzählte von ihrem Gespräch mit Erkki Määttä.
»Es dauert ein paar Tage, hat er gemeint? Wir wissen ja nicht, was er herausbekommt, aber schaden kann es jedenfalls nicht. Ich mache weiter wie beschlossen.«
Nach dem Gespräch mit John blieb Elina sitzen und dachte darüber nach, was sie mit dem angebrochenen Abend tun sollte.
Als sie auf die Uhr schaute, stellte sie fest, dass es zehn vor acht war.
Sie zog ihre Jacke an und ging hinaus, aber nicht nach Hause, sondern in die entgegengesetzte Richtung. Unterwegs sprangen ihr immer wieder Wahlplakate ins Auge. Sie stieß auf Alfs Gesicht, der die Nase wie üblich etwas zu hoch trug. Und Görans Bäuchlein. Bos glattes Jungengesicht schien bekümmert wegen der Steuern, während Gudrun sehr sorgfältig geschminkt war. Elina hatte plötzlich Lust, ihnen allen Schnurrbärte zu malen, genau wie sie es als Dreizehnjährige gemacht hatte, als sie eines Abends mit einer Clique Freundinnen herumgezogen war. Aber jemandem, der bereits der Körperverletzung verdächtigt wurde und von dem man außerdem erwartete, dass er die Plage der Schmierereien bekämpfte, war die Beschädigung von Plakaten nicht zu empfehlen.
Als sie das Restaurant betrat, entdeckte sie Nadia sofort. Sie stand hinter einer Kasse am Tresen. Elina ging auf sie zu, ohne ihre Jacke auszuziehen.
»Hallo«, sagte sie.
Nadia schaute auf und lächelte.
»Sie sind also gekommen! Warten Sie, ich muss nur noch die Kasse übergeben, mich umziehen und meine Mutter anrufen, um ihr zu sagen, dass ich später komme. Sie passt auf meine Tochter auf.«
Sie warf das Haar zurück und lachte laut.
»Komme sofort!«
Zehn Minuten später nahm Nadia Elina am Arm und zog sie rasch mit sich hinaus.
»Jetzt wollen wir uns amüsieren.«
Es war Viertel vor zwei, als Elina sich angekleidet aufs Bett legte und sofort einschlief. Da war sie zum ersten Mal in ihrem Leben in einem schwarzen Club gewesen, hatte Wodka aus gewöhnlichen Wassergläsern getrunken, hatte fantastische Geschichten über das Leben in Moskau gehört und hätte fast, aber nur fast, von den Ereignissen erzählt, die die Selbstverachtung, an der sie in aller Stille litt, verursacht und dazu geführt hatten, dass sie Polizistin geworden war. Jenes Geheimnis, von dem sie meinte, dass sie es nie jemandem verraten würde.
23
Der Empfänger war Olavi Andersson. Er bekam so selten Post, dass der Postbote nach dem Namen suchen musste. Private Briefe bekam Olavi nie und sein Einkommen war so gering, dass die Zustellung einer Werbesendung völlig sinnlos war.
Als die Klappe am Briefschlitz zuknallte, stand Olavi Andersson auf und ging in den Flur. Auf dem Fußboden lag ein Kuvert, mit der Vorderseite nach unten. Er bückte sich und hob es auf.
»Johannes Elwin, Notariat«, las er leise und mit gerunzelter Stirn.
Dann plötzlich verstand er und ging rasch in die Küche. Er zog eine Schublade auf und holte ein Brotmesser hervor. Das Kuvert schien Widerstand zu leisten, aber schließlich bekam er es doch auf und nahm den Inhalt heraus, ein Blatt mit wenigen kurzen Zeilen.
Die Inventarisierung des Nachlasses Ihrer Mutter ist abgeschlossen. Es freut mich Ihnen mitteilen zu können, dass die Wohnung schnell und zu einem etwas höheren Preis als erwartet verkauft werden konnte. Nach Abzug von Steuern und Unkosten, die nachstehend aufgelistet werden, beträgt Ihr Erbe 96 177 Kronen netto. Diese Summe abzüglich der 10000 Kronen, die Sie bereits als Vorschuss erhalten haben, wird Ihnen innerhalb von drei Tagen per Postanweisung zugestellt.
Mit freundlichem Gruß
Johannes Elwin
Notar
Olavi Andersson holte seine Brieftasche, zählte die Scheine und kam auf sechstausendeinhundert Kronen. Er legte das Geld zurück in die Brieftasche und steckte sie in die Gesäßtasche seiner Hose. Dann ging er zurück in den Flur und zog seine neue Jacke an.
Anderthalb Stunden später verließ er das Einkaufszentrum am Sigmatorget, bekleidet mit einem dunkelblauen
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