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Elina Wiik - 03 - Der tote Winkel

Elina Wiik - 03 - Der tote Winkel

Titel: Elina Wiik - 03 - Der tote Winkel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Kanger
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fuhr Umm Fariz in tiefster Trauer in einem Auto mit.
    Am Steuer des Wagens saß Sayed, der jüngste Onkel von Fariz, der nur acht Jahre älter war. In der Tasche trug er ein Stück Papier mit sich:
     
    Eine Blume,
    von Gott gepflückt,
    ehe sie noch geblüht hat.
     
    Sayed spielte gern Fußball. Bevor die Intifada in diesem Herbst ausgebrochen war, hatte er oft mit Fariz gespielt. Er hatte versucht, ihm das Dribbeln beizubringen. Doch durch die Absperrungen, die im Zuge der Intifada durchgeführt worden waren, hatte er seine Arbeit als Tagelöhner auf der anderen Seite verloren. Und eine Ausbildung konnten sich Sayed und seine Familie nicht leisten.
    Sayed wollte kein Märtyrer werden. Er wollte Fußballspieler werden. Als Fariz in der Grube verschwand, fasste er einen Entschluss. Er würde fliehen. Er wusste nicht, wie er es bewerkstelligen sollte oder was es kosten würde. Aus Gaza zu flüchten, das ein Gefängnis war, schien schier unmöglich. Aber er wusste, dass es Menschen gab, die Schlupflöcher kannten. Vielleicht wussten die auch, wie man weiterkam, wenn es einem geglückt war, die Grenze zu überwinden? Weiter nach Europa und in den hohen Norden.

2. KAPITEL
    »Sveiks, Janis! «
    Janis drehte sich um und rief in die Wohnung zurück: »Mama, da ist Peteris! Wir gehen raus, spielen!« Zu Peteris sagte er: »Was sollen wir machen? Fußball spielen?«
    »Nein«, antwortete Peteris, »lass uns unten im Hafen auf Schatzsuche gehen.« Das brauchte er Janis nicht zweimal zu sagen.
    Da Ventspils über einen der größten Häfen Lettlands verfügte, gab es dort noch viele unerforschte Winkel, sogar für zwei neugierige, zehnjährige Jungen, die in dieser Stadt aufgewachsen waren. Von seinem Fenster aus hatte Peteris gesehen, dass mehrere Boote im Hafen verlassen wirkten. Sie lagen am Kai, ohne dass sich jemand um sie zu kümmern schien. Er hoffte, dass Janis es wagen würde, sich mit ihm zusammen an Bord zu schleichen. Wer konnte schon wissen, was man fand, wenn man erst einmal an Bord war? An Bord von Schiffen, die auf den sieben Meeren gefahren waren, von denen der Lehrer im Erdkundeunterricht erzählt hatte.
    Am südlichen Kai lagen die Boote in mehreren Reihen nebeneinander. Kähne, Fischerboote, kleinere Frachtschiffe mit Autoreifen längsseits, die gegeneinander rieben. Einige Schiffe waren weiß und frisch gestrichen, an anderen war die Farbe längst abgeblättert. Janis und Peteris hofften, dass niemand sie wegjagen würde. Peteris machte den ersten Fund, eine rostige Laterne, die auf der Erde lag. Sie wagten sich an Bord eines Kahns, aber alle Türen waren abgeschlossen. Ein größerer, rostiger Frachter wirkte vielversprechend. Doch an Deck kamen sie nicht, weil es keine Gangway gab.
    Etwas weiter, am Ende des Kais, entdeckte Janis ein Fischerboot, das im Trockendock stand. Als sie näher kamen, entdeckten sie, dass jemand eine Leiter an die Bordwand gelehnt hatte. Die Farbe war fast vollständig abgeblättert, nur eine Rostschicht kleidete das Boot.
    »Wir klettern hoch«, sagte Peteris. Janis folgte ihm zögernd auf die Leiter. An Bord häufte sich der Müll: Plastikflaschen, alte Schuhe, Reste von Stahlseilen, Kartons, Tauenden, leere Dosen. Die Türen standen weit offen. Peteris trat in die Steuerkabine. Alle Instrumente fehlten dort, und ein Steuerrad gab es auch nicht mehr. Als er wieder an Deck trat, durchwühlte er zusammen mit Janis die Müllberge. »Was hältst du davon?«, meinte Janis und hielt eine Zigarettenschachtel aus Blech in die Luft. »Ach was!«, erwiderte Peteris, und Janis warf die Schachtel beiseite.
    Janis ging vor zu einer großen Luke, die sich mitten auf dem Deck befand. »Hier wurde bestimmt der Fang verstaut«, sagte er. Er rüttelte an der Luke, die schwer, aber nicht abgeschlossen war. Gemeinsam öffneten sie sie. Im Inneren des Bootes gab es eine festgeschweißte Eisenleiter. »Komm«, sagte Peteris. »Es stinkt«, meinte Janis, kletterte aber doch hinterher. Unten lag noch mehr Abfall, und vieles war zerstört worden. Offenbar waren sie nicht die Ersten, die das Boot durchsuchten. Janis kroch durch ein Loch in den vorderen Laderaum.
    »Schau mal, was ich gefunden habe«, rief er. »Was?«, fragte Peteris. Janis kroch wieder nach draußen. In der Hand hielt er ein Buch. Sie kletterten wieder an Deck und betrachteten es bei Tageslicht. Das Buch hatte einen goldgrün geprägten Deckel und sehr dünnes Papier. Die eine Ecke war feucht geworden und daher etwas dunkler und

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