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Elixir

Elixir

Titel: Elixir Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H Duff
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in meinem Zimmer schwer auf meinen Schreibtisch und zwirbelte mit einer Hand seine Stirnlocke, während er auf meinen Computerbildschirm starrte. Ich klickte alle Bilder durch– zuerst so, wie ich sie ursprünglich aufgenommen hatte, dann die vergrößerten Ausschnitte, die meinen » Traum-Mann« zeigten. Ihn jetzt wieder auf den Fotos zu sehen, brachte mich mehr durcheinander, als ich gedacht hatte. Mein Herz begann so heftig zu pochen, dass es mir in den Ohren dröhnte, und ich hatte Angst, dass Ben es hören könnte.
    Aus dem Augenwinkel warf ich ihm einen prüfenden Blick zu, aber er beachtete mich nicht. Seine Augen waren starr auf den Monitor gerichtet.
    » Darf ich?«, fragte er angespannt, während seine Hand bereits über der Maus schwebte. Ich ließ nie jemand anders an meinen Rechner und Ben wusste das, aber ich brauchte gerade meine ganze Energie dafür, mich zusammenzureißen. Ich nickte und er nahm die Maus, klickte die Fotos durch und zoomte noch näher auf das Profil des Mannes, seine Augen, seine Lippen…
    Ich zitterte. Das musste aufhören. So kannte ich mich gar nicht und ich hatte keine gute Erklärung für Ben parat, falls er mich nach dem Grund fragen sollte.
    » Clea«, sagte er.
    Ich zog den Kopf ein und machte mich bereit für das peinlichste Gespräch meines Lebens, doch Ben sah erschöpft aus, als hätten ihm die letzten zehn Minuten seine komplette Energie entzogen. Er nahm die Hand aus seinen Haaren und sah mich dann entschuldigend an. » Ich muss dir unten etwas zeigen.«
    » Wie bitte?« Ich konnte mir nicht vorstellen, was er mir in meinem eigenen Haus zeigen wollte, folgte ihm aber trotzdem die zwei Treppen hinunter. Er schlug den Weg zum Studio meines Vaters ein.
    » Ben…«, warnte ich ihn.
    » Ich weiß. Aber wir müssen da rein.«
    Ich kämpfte gegen den Drang an zu heulen und ihn wegzuzerren, als er die Tür öffnete. Das Studio war Dads Allerheiligstes gewesen. So lange ich denken kann, galt die Regel: entweder ging man mit Dad hinein oder man musste anklopfen und warten, dass er » Herein« rief. Ins Studio durfte man nur, wenn man dazu aufgefordert wurde, was bedeutete, dass die Tür im letzten Jahr geschlossen geblieben war. Es jetzt ohne ihn zu betreten, fühlte sich wie eine Entweihung an.
    » Er würde wollen, dass du es siehst, Clea«, sagte Ben. » Glaub mir.«
    Zum ersten Mal flackerte in mir so etwas wie Wut auf Ben. Grant Raymond war mein Vater. Warum sollte Ben besser als ich wissen, was er wollen würde? Mir lag schon eine entsprechend bissige Bemerkung auf den Lippen, doch Bens leichenblasses Gesicht ließ mich verstummen. Irgendetwas stimmte nicht und aus irgendeinem Grund musste er mir das hier erklären. Ich trat ein.
    Wie das Büro meines Vaters war auch das Studio überflutet von losen Zetteln, Büchern und jeder Menge geheimnisvoller Dinge. Während das Büro jedoch im Arbeitschaos versank, konnte sich das Studio eines noch wilderen Durcheinanders von Dads Hobbys rühmen. Die Digitalfotografie war darunter natürlich die Königsdisziplin und nicht weniger als drei große Computermonitore ragten wie Felsplatten zwischen Stapeln von Fotopapier, speziellen Tintenkartuschen und einem USB -Kabelgewirr auf. Überall lagen Dads heiß geliebte und abgewetzte dicke Wälzer über Mythologie und Geschichte.
    Als ich auf einem hohen Bücherstapel eine Biografie von William Shakespeare entdeckte, merkte ich, wie sich mein Herz zusammenkrampfte. Ich vermisste Dad so sehr. Und die Vorstellung, dass auch nur die kleinste Erinnerung an ihn mit der Zeit verblassen könnte, war furchtbar. Dennoch hatte ich fast gänzlich vergessen, wie sehr er sich ungefähr ein halbes Jahr vor seinem Verschwinden für Shakespeare begeistert hatte. Mom hatte sich darüber gewundert. Seit Jahren hatte sie versuchte, meinen Vater zu überreden, mit ihr ins Theater zu gehen. Und dann verschlang er plötzlich alles, was auch nur im Entferntesten mit dem Dichter zu tun hatte: Theaterstücke, Sonette und ganze Bände mit Kommentaren über sein Werk. Aber so war er. Wenn er ein neues Thema für sich entdeckt hatte, stürzte er sich Hals über Kopf hinein.
    Ben öffnete den Schrank, in dem Dad all seine Fotoapparate aufbewahrt hatte, von der neuesten Digitalkamera über Sammlerstücke, die er auf eBay ersteigert hatte, bis hin zu Polaroid OneSteps, die schon lange nicht mehr funktionierten, von denen er sich aber einfach nicht trennen konnte. Ich zuckte zusammen, als Ben sie zur Seite schob und sie

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