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Elixir

Elixir

Titel: Elixir Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H Duff
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Schachtel aus seiner Tasche.
    Nein. Das konnte nicht sein.
    Er öffnete die Schachtel und es kam ein wunderschöner, schmaler Ring mit einem Diamanten zum Vorschein. Er blickte zu mir auf und ich sah die endlose Liebe in seinen Augen. » Willst du meine Frau werden, Anneline?«
    In dieser Sekunde breitete sich unser ganzes Leben vor mir aus, ein Strudel von Bildern, die so schnell vorüberzogen, dass ich kein einziges festhalten konnte. Doch das Gefühl, das sie in mir auslösten, brach in einer Woge der Glückseligkeit über mich herein und ließ mich weinen.
    » Anneline?« Seine Augen weiteten sich vor Sorge.
    » Ja! Ja, ich will dich heiraten!«
    Er sagte nichts, doch er strahlte, stand auf und schloss mich ganz fest in die Arme. Ich jauchzte und lachte und weinte und alles um mich herum versank in einem Strudel des Glücks…
    Ich fuhr im Bett hoch. Atemlos, schwindelig. Ich drehte den Kopf zum Computer, auf irrationale Weise sicher, dass der Mann dort wäre und jeden Moment aus dem dunklen Bildschirm treten würde.
    Natürlich war es nicht so, aber ich musste ihn sehen. Ich wälzte mich aus dem Bett, war jedoch noch zu taumelig, um mich auf den Beinen zu halten, und stürzte zu Boden. Sekunden später klopfte es an meiner Tür.
    » Ist was passiert?«, fragte Piri.
    » Nein, alles okay«, rief ich. » Hab nur schlecht geträumt.«
    Die Tür flog auf.
    » Schlecht geträumt?«, rief Piri alarmiert. » Jemand läuft über dein Grab. Zieh heute deine Sachen falsch herum an, dann wendet sich dein Schicksal.«
    Sie starrte mich an und wartete darauf, dass ich ihrem abstrusen Aberglauben den angemessenen Respekt zollte.
    » Klar, mache ich, Piri. Danke.«
    Piri nickte und ging wieder. Bevor die Tür ganz zufiel, sah ich Piris Blick in Richtung Dads Büro und wie sie sich bekreuzigte. Ich verdrehte die Augen.
    Dann rappelte ich mich auf und betrachtete nachdenklich meinen Rechner. Gerade eben hatte ich ihn noch dringend hochfahren wollen, aber auf einmal war ich mir nicht mehr sicher. Ich versuchte, mir dasselbe zu sagen wie schon zuvor: dass lebhafte Träume über den Mann eine Methode meines Gehirns waren, ihm den Schrecken zu nehmen und besser damit klarzukommen. Ich überlegte sogar, was Rayna sagen würde. Der Mann war geheimnisvoll und gut aussehend– und es wäre seltsam, wenn ich ihn nicht in meine Träume einbauen würde. Sie würde sagen, dass das alles harmlos sei und ich meiner Fantasie für eine romantische Nacht danken sollte.
    Das Problem war nur, dass diese Träume mir nicht wie pure Einbildung vorkamen. Sie fühlten sich so real an, hafteten wie Nektar an mir und hinterließen bei mir ein seltsames Gefühl der Verwirrung und des Kontrollverlusts. Ich mochte das nicht und ich hatte das Gefühl, je mehr Zeit ich mit den Fotos verbrachte, desto realer wurden meine Träume. Es wäre schlauer, die Aufnahmen eine Weile nicht mehr anzusehen, vielleicht bis ich aus Rio zurück war. Dann, so glaubte ich, wäre genug Zeit vergangen und sie würden nicht mehr eine derartige Sogwirkung auf mich ausüben.
    Der Plan klang gut… aber die Träume gingen weiter. Sobald ich meine Augen schloss, schlug ich ein anderes Kapitel der Liebesgeschichte zwischen mir und diesem Mann auf. Nur, dass ich nie wirklich ich war. Ich war Delia, Anneline, Catherine oder Olivia– immer eine dieser vier Frauen, die alle an verschiedenen Orten lebten. Und die Visionen fühlten sich immer weniger wie Träume an, sondern vielmehr, als würde ich Zeitreisen in frühere Leben unternehmen.
    Am Anfang hasste ich es. Egal, wie glücklich ich in den Träumen auch war– beim Aufwachen hatte ich das Gefühl, mein Gehirn wäre von dem Typ auf den Fotos entführt worden. Ich versuchte, dagegen anzukämpfen, und schaltete vor dem Zubettgehen extra die übelsten Horrorstreifen oder die schlimmsten Dramen ein, in der Hoffnung, sie würden mich im Schlaf nicht loslassen. Ich lud mir aus dem Internet Visualisierungsübungen herunter, mit deren Hilfe man angeblich seine eigenen Träume gestalten konnte. Ich rannte abends dreizehn Kilometer auf dem Laufband, bis ich sicher war, dermaßen todmüde ins Bett zu fallen, dass ich nicht einmal mehr die Kraft zum Träumen hatte.
    Es half nichts. Jede Nacht reiste ich wieder in die Vergangenheit. Im Italien der Renaissance war ich Olivia und versuchte, meine Aquarelltechnik zu perfektionieren, indem ich den Mann, den ich liebte, und seinen besten Freund Giovanni malte. Sie waren schreckliche Modelle und konnten

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