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Elixir

Elixir

Titel: Elixir Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H Duff
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Fremden am Empfang waren jetzt größer, mehr im Fokus. Ich konnte sogar den Gang hinter dem Schalter erkennen: unscharfe Umrisse von Krankenschwestern, die eine Trage schoben, und weitere Personen.
    » Kommt dir was bekannt vor?«, fragte Ben.
    Ich schüttelte den Kopf. Nein, aber ich konnte mir vorstellen, worauf das hinauslief, und mein Magen krampfte sich in einer Vorahnung zu einem Knoten zusammen.
    Ben presste grimmig die Lippen aufeinander und blätterte zum nächsten Foto weiter. » Und jetzt?«
    Mir wurde schwindelig und ich musste mich an der Tischplatte festhalten.
    Er war da.
    Der Mann aus meinen Träumen.
    Er stand in dem düsteren Gang vor den Aufzügen. Das Bild war grobkörnig, aber es war unverkennbar er. Und obwohl das schon achtzehn Jahre zurücklag, sah er genauso aus wie auf meinen Fotos. Keinen Tag jünger oder älter. Er hatte sogar dieselben Sachen an: eine schwarze Lederjacke, Jeans und ein graues T-Shirt.
    » Dein Vater sagte, er könne es nicht erklären, aber irgendetwas war mit diesem Kerl… irgendetwas stimmte nicht mit ihm.«
    Ich betrachtete das Bild genauer. Der Mann war ein gutes Stück von meiner Mutter und mir entfernt, aber er blickte in unsere Richtung und er sah nicht glücklich aus. Sein Rücken war ein wenig gebeugt, die Hände hatte er tief in den Hosentaschen vergraben und seine Augen waren leicht gerötet, als hätte er geweint.
    Ben sah mich an, als würde er auf eine Antwort warten, aber ich wusste nicht, was ich sagen sollte.
    » Er sieht traurig aus«, stieß ich schließlich hervor.
    Ben nickte. » An sich nichts Ungewöhnliches für jemanden in einer Klinik, aber dein Vater wurde den Gedanken nicht los, dass der Typ nicht wegen jemand anderem traurig war, sondern deinet wegen. Eine Zeit lang hat er jedes einzelne Bild, das er geschossen hat, vergrößert und untersucht. Sollte er mit seiner Vermutung recht behalten, so glaubte er, dann würde der Kerl wieder auftauchen. Aber nichts geschah und dein Dad dachte, dass er sich da in etwas verrannt hätte. Er musste arbeiten, er wollte möglichst viel Zeit mit dir und deiner Mom verbringen… er konnte nicht jede freie Stunde damit zubringen, ein Phantom zu jagen.«
    Ben warf mir einen Blick zu, wohl wissend, dass ich ihn sonst immer für das Wort rügte. Dieses Mal tat ich es nicht.
    » Als du vier Monate alt warst, so erzählte mir Grant, hantierte er mit ein paar JPEG s und da überkam ihn wieder dieses komische Gefühl…«
    Statt weiterzusprechen, blätterte Ben nur zum nächsten Bild. Es zeigte irgendeine feierliche Veranstaltung. Runde Tische waren mit feinem Leinen und edlem Porzellan eingedeckt. Mom trug ein schwarzes Cocktailkleid, hohe Schuhe… und mich, in einem Baby Björn vor ihrem Bauch. Ich erinnerte mich auch an dieses Bild. Mom wurde nicht müde zu berichten, wie sie mich als Baby überallhin mitgenommen hatte. Sie sagte, die Wähler fanden das ganz toll, wie sie bewies, dass sie beides hervorragend unter einen Hut bekam: Kind und Karriere. Und genau das stellte sie auf dem Foto zur Schau, als sie dem Vizepräsidenten der Vereinigten Staaten die Hand schüttelte, während seine Frau und ich uns albern angrinsten. Nun, da ich wusste, wonach ich wirklich suchte, verweilte mein Blick nur kurz auf Mom und mir, ehe ich mich auf den Hintergrund konzentrierte. Ich brauchte nicht lang.
    » Da«, flüsterte ich und deutete auf einen Platz mehrere Tische von Mom entfernt. Er war nur ganz klein abgebildet, aber…
    » Genau.« Ben nickte und ging zum nächsten Foto, das eine Vergrößerung der Stelle war, auf die ich gerade gezeigt hatte. Der Mann war fast gänzlich von der Kamera abgewandt. Er hatte die Ellbogen auf den Tisch gestützt und seine Schläfe gegen die rechte Faust gelehnt. Er wirkte absolut fehl am Platz, seine Lederjacke und Jeans standen im krassen Gegensatz zu den Abendkleidern und den Smokings der anderen.
    » Sticht ziemlich aus der Menge heraus«, meinte Ben und sprach damit laut aus, was ich gedacht hatte, » aber dein Vater schwor, er hätte ihn dort nicht gesehen. Keinem war der Mann aufgefallen– Grant hat extra herumgefragt. Schließlich ist er zu derselben Folgerung gekommen wie du, als du die Bilder von deinem Zimmer gemacht hast: Der Typ war nie wirklich da.
    » Schien nicht da zu sein«, stellte ich klar. » Aber es muss irgendeine logische Erklärung geben. Quantenphysik vielleicht– irgendetwas, was unser Vorstellungsvermögen übersteigt.«
    Ben zuckte nur die Schultern und ging

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