Elixir
letzten Momente wider.
Der Anblick nahm mir die Luft. Das hier war so unsäglich schrecklich, noch schlimmer als Sages Gemälde, denn es war echt. Und es war ich. Es war mein Leben gewesen– und mein Tod. Das war zu viel für mich. Ich fing an zu hyperventilieren. Die Bilder hinter meinen geschlossenen Augen begannen zu verschwimmen und ich war sicher, ich würde gleich bewusstlos werden.
Magdas federleichte Skeletthand drückte fest die meine und holte mich zurück.
Die Vision ging weiter.
Sage wollte einen gequälten Schrei ausstoßen, als er Olivia sah, doch seine Lunge war durchstochen und er brachte keinen Ton heraus. Alles in ihm war zerbrochen; er wusste, er würde sterben, was ihn auf eigentümliche Weise tröstete.
Seine Schuld… er hatte die Geheimnisse der Gesellschaft ausgeplaudert und das war nun dabei herausgekommen… alles seine Schuld…
Er dachte, das wären seine letzten Gedanken. Gut. Es war eine Botschaft, die er in die Hölle mitnehmen würde, wenn er sich selbst dem Teufel auslieferte, damit er bis in alle Ewigkeit seine gerechte Strafe bekam.
Aber in der Hölle würde er Olivia nicht wiedersehen. Er musste von ihr Abschied nehmen, jetzt gleich. Mit übermenschlicher Anstrengung kroch er über den Boden, bis er nur noch wenige Zentimeter von ihrem Gesicht entfernt war. Seine Kräfte schwanden schnell. Er hatte nicht mehr viel Zeit. Verzweifelt gab er sich einen letzten Ruck, doch er schaffte es nicht. Da packten ihn derbe Hände und eine höhnische Stimme johlte: » Schaut euch das an, Leute! Er lebt! Soll ich ihn kaltmachen?«
» Nein!«, sagte der Anführer. » Ich habe eine bessere Idee.«
Sein Plan bestand darin, das Elixir an Sage auszuprobieren, um herauszufinden, ob es wirkte oder nur irgendein Gifttrank war. Sie flößten ihm eine ganze Phiole ein, schütteten es in seinen wunden Hals, dann warfen sie ihn in eine Kutsche und flohen aus der Stadt.
Fast hätten sie es nicht geschafft.
Die Heilkräfte des Elixirs waren erstaunlich. Sie erlösten Sage zwar nicht von den schrecklichen Schmerzen seiner Wunden, doch innerhalb einer Stunde war das Schlimmste vorüber und seine Kräfte begannen zurückzukehren.
Wäre er geduldiger gewesen, wäre vielleicht alles anders gekommen. Doch die Männer, die mit ihm in der Kutsche saßen, hatten Olivia auf dem Gewissen. Er wollte sich nicht gedulden, er hatte nur einen Gedanken: Rache. Sobald er dazu in der Lage war, stürzte Sage sich auf den nächsten Mann, legte ihm die Hände um die Kehle und drückte zu.
Die anderen in der Kutsche waren so schockiert über Sages unfassbare Genesung, dass sie fast nicht reagieren konnten. Doch schließlich erholten sie sich von ihrem Schreck, zerrten ihn von ihrem Freund weg und schlugen und stachen auf ihn ein, bis er wieder das Bewusstsein verlor.
Diesmal wachte er schneller wieder auf, doch seine Hände und Beine waren gefesselt. Die Räuber wollten kein Risiko mehr eingehen– sollte Sage sich auch nur das kleinste bisschen zur Wehr setzen, würden sie gnadenlos von ihren Waffen Gebrauch machen.
Später, als sie sich auf einem verlassenen Gehöft versteckten, planten die Verbrecher ihr weiteres Vorgehen. Die Ermordung so vieler wohlhabender Römer würde hohe Wellen schlagen. Deshalb wollten sie ihre Beute aufteilen und sich in verschiedenen Ecken Europas niederlassen, sobald man die Suche nach ihnen aufgegeben hatte.
Einzig die Frage, was sie mit dem Elixir tun sollten, war noch ungelöst… und was mit Sage. Es schien jetzt klar, dass das Elixir kein Schwindel war. Es hatte Sage tatsächlich das ewige Leben verliehen und das wollten sie nun auch alle für sich selbst. Aber war das möglich? Sage hatte eine ganze Phiole getrunken, die bei der überstürzten Flucht verloren gegangen war.
Zwei Phiolen waren noch übrig… aber wenn man den kompletten Inhalt brauchte, um das ewige Leben zu erlangen, dann konnten nur zwei von ihnen es haben. Möglicherweise reichte auch weniger… aber was, wenn sie den Rest des Elixirs durch acht teilten und es nicht genug war, um ihnen das ewige Leben zu schenken?
Die Bande beschloss, dass niemand das Elixir anrühren sollte, bis man eine Einigung erzielt hatte. Das Problem war nur, dass sie einander nicht vertrauten. Ständig gerieten sie in Streit und beobachteten sich so argwöhnisch, dass sie kaum Schlaf fanden. Und die, die doch schliefen, legten sich ganz in der Nähe des Elixirs zur Ruhe, damit sie aufwachten, wenn jemand sich daran zu schaffen
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