Elizabeth II.: Das Leben der Queen
in den Aberdare-Bergen von Kenia in ihrem Gäste-Baumhaus «Treetops» und schauen versunken zu, wie Giraffen, Elefanten und andere Tiere der Savanne zur morgendlichen Tränke finden. Sowie sie zurück in der Sagana Lodge sind, meldet sich der Chefredakteur des «Nairobi Standard» telefonisch bei Martin Charteris, dem Privatsekretär der Prinzessin, und bittet um Erlaubnis, drucken zu dürfen, was er gerade über Telex erfahren hat: Der König ist tot. So waren die Sitten im Umgang mit Nachrichten aus dem Sanktuarium der Krone: Es wurde höflich angefragt, ob die Schlagzeile möglicherweise inkonveniere.
Charteris, der im Gouverneurssitz in Nairobi um Auskunft ersuchte, erfuhr lediglich, einige verschlüsselte Botschaften seien angekommen, die niemand dechiffrieren könne: Der Gouverneur war verreist. So half einzig der direkte Draht nach London, der alle Zweifel beseitigte. Charteris informierte als erstes Philip, dann dieser seine Frau, auf einem längeren Spaziergang im Garten der Sagana Lodge. Michael Parker, Philips langjähriger australischer Sekretär und freundschaftlicher Begleiter, schilderte später, der Herzog habe beim Anhören der Nachricht ein Gesicht gemacht, «als habe man die ganze Welt auf seine Schultern fallen lassen». Philip weiß sofort: Die unbeschwerte Zeit des Zusammenlebens mit «Lilibet» und seiner jungen Familie ist auf einen Schlag beendet. Mehr als das: Zu der erhofften Karriere in der Marine wird es nicht mehr kommen, künftig wird es nur eine Rolle für ihn geben – Diener seiner Herrin, der Königin, zu sein. Prinz Philip hat am Vorabend seines 90. Geburtstags im Juni 2011 in einem Fernsehinterview derBBC mit seltener Offenheit zugegeben, wie gut es der Monarchie – und ihm – getan hätte, wenn er eine erfüllte berufliche Laufbahn hätte einbringen können, «statt mit in der Welt herumzustapfen».
Elizabeth, die Nicht-mehr-Prinzessin, gab sich gefasst – ihr typisches Verhalten in allen späteren Krisenlagen, wenn sie bei der Etikette Zuflucht suchte, um mit ihren Gefühlen fertig zu werden. «Welche Formalitäten muss ich in dieser Stunde erfüllen?», war ihre erste Frage an den Privatsekretär. «Nur eine, Ma’am», erhielt sie zur Antwort: «Sie müssen unter ihren Vornamen denjenigen auswählen, mit dem Sie als Monarchin genannt werden möchten.»
Für Elizabeth Alexandra Mary Windsor keine Frage: Sie würde bei ihrem ersten, dem Rufnamen, bleiben und sich Queen Elizabeth II. nennen, in ehrendem Andenken an ihre große Vorgängerin. Ihr erster Auftritt als Königin, die überstürzte Abfahrt zum nächstgelegenen Flugfeld, zur Heimreise in ihr Reich, ist im Bild nicht überliefert. Fünf Fotojournalisten, die Kameras auf den Boden gelegt, standen Spalier vor der Sagana Lodge und verbeugten sich artig vor der abreisenden Hoheit, ergriffen von einer anderen Pflicht als der des berufsbedingten Voyeurismus. Es war eine andere Zeit.
Harold Nicolson notierte am 6. Februar in seinem Tagebuch: «Prinzessin Elizabeth fliegt heute von Kenia zurück. Sie wurde Königin auf dem Hochsitz eines Baumes in Afrika, während sie Nashörnern beim Trinken zusah.» Auch William Shawcross, der Historiker, kann sich der Besonderheit dieses Bildes nicht entziehen. «Elizabeth ist die einzige Frau, die wir kennen», schreibt er in «Queen and Country», «die Prinzessin war, als sie auf einen Baum stieg, und Königin, als sie wieder herunter kam.»
In der britischen Kontinuität gibt es – mit Ausnahme der Zeit des Interregnums unter Oliver Cromwell im 17. Jahrhundert – keinen monarchiefreien Tag. Beim Tod eines Papstes muss erst ein Konklave zusammentreten, um den neuen Pontifex zu wählen, vorher ist sein Name der Spekulation anheimgegeben. Anders in England: Am Tag des Todes eines Herrschers tritt der designierte Erbe automatisch an die Stelle des Vorgängers. Der Kronrat ruft auch sogleich am Todestag im Beisein des Nachfolgers dessen Namen feierlich aus, was in Elizabeths Fall ohne sie geschehen musste,denn sie befand sich auf dem Heimflug nach England. Es war zum ersten Mal nach 200 Jahren, dass die Proklamation nicht in Gegenwart des neuen Monarchen stattfand.
Bei der Ankunft in Heathrow am 7. Februar erblickte die Königin als erstes die Reihe der schwarzen Dienstlimousinen, von denen die beiden Mädchen, Margaret und sie, untereinander immer nur als «die Leichenwagen» sprachen. «Schau mal, sie haben die Leichenwagen geschickt», sagt sie zu ihrer mitreisenden Cousine
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