Elizabeth II.: Das Leben der Queen
Mentalitätsgeschichte Englands in diesem bestimmten Augenblick. Sir William nähert sich seinem Thema mit lauter vergifteten Komplimenten. Über Peter Townsendgebe es nichts Nachteiliges zu sagen, außer dass seine geschiedene Frau noch lebe. In der Queen, so fuhr der Autor fort, fänden die Menschen Großbritanniens und des Commonwealth «ihr besseres Selbst gespiegelt». Margaret dagegen plane eine Verbindung, «die eine große Zahl von Leuten unter der Herrschaft ihrer Schwester guten Gewissens nicht als Ehe ansehen kann».
Dann diese Coda: «Ihre Mit-Untertanen werden der Prinzessin jedes mögliche Glück wünschen, ohne zu vergessen, dass Glücklichsein im vollen Sinne einen geistigen Zustand beschreibt, dessen kostbarstes Element das Gefühl umschließt, seine Pflicht getan zu haben.» Die Predigt eines Laienapostels, wenn nicht eines verhinderten Erzbischofs. So war es: In der Frage der Ehemoral hatten die Tonangeber der öffentlichen Meinung, im Gegensatz zu den sich verändernden Gewohnheiten in weiten Teilen der Gesellschaft, ihre Haltung seit Jahrzehnten nicht geändert, was für viele Ohren nur noch heuchlerisch wirkte. Auch das war Kontinuität, eigentümliche, wenn vielleicht auch nicht mehr vornehme, um Churchills Worte abzuwandeln. Am Tag nach dem «Times»-Artikel schrieb der «Daily Mirror», die Zeitung spreche «für eine verstaubte Welt und ein vergessenes Zeitalter».
Vergessen? Nein, durchaus nicht, jedenfalls nicht in der Beletage des Establishments. Man muss zum Vergleich heranziehen, was der Erzbischof von York und spätere Primas der Anglikaner Cosmo Lang 1923 vortrug, als er in der Westminster Abbey Elizabeths Eltern, den Herzog und die Herzogin von York, traute: «Von ganzem Herzen», so wandte er sich damals an das Brautpaar, «wünschen wir, dass eure Ehe glücklich ausfallen möge. Ihr selber könnt und werdet beschließen, dass sie nobel sei. Ihr werdet dabei nicht so sehr an Vergnügen [enjoyment] denken als daran, etwas vollbracht zu haben.» Wie sich die Botschaften über die Zeiten hinweg doch grüßen. Der Erzbischof appellierte an die Leistung, der Publizist 32 Jahre später an die Pflicht. Beide sprachen, als sie Glück meinten, vom Entschluss zu moralischer Konformität. Das kann gut gehen, es kann aber auch als «pursuit of unhappiness» enden.
So bei Margaret. Das Gespräch mit Townsend schloss mit der Einigung beider, aufeinander zu verzichten. Der Artikel in der«Times» hatte seine Wirkung nicht verfehlt, die Bataillone der Gegner waren zu stark. Am nächsten Tag begibt sich die Prinzessin zum Erzbischof von Canterbury, Geoffrey Fisher. Der hat alle relevanten Bücher und Zitate um sich versammelt, um den Casus gegen die Heirat zu stützen, aber Margaret winkt ab: «Erzbischof, Sie können Ihre Bücher beiseite legen. Ich habe mich bereits entschlossen.» Darauf der: «Was für eine wunderbare Person doch der Heilige Geist ist.» Darüber sind sich die Gelehrten in diesem Fall bis heute nicht einig. Einig sind sie dagegen darin, dass in der Causa Margaret, auch wenn es so aussah, die Kirche legal nichts zu sagen hatte. Es war eine rein politische Entscheidung: ein Schachzug Salisburys, der freilich jahrzehntelang geheim bleiben sollte, verschlossen unter der Auflage, dass Staatsdokumente erst nach 30 Jahren und manchmal noch später freigegeben werden dürfen.
In ihrer Verzichtserklärung vom 31. Oktober legte auch Margaret den Hauptakzent auf den religiösen Aspekt, die politischen Kabalen hatte man ihr vorenthalten. «Eingedenk der Lehre der Kirche, dass die christliche Ehe unauflöslich ist», so stand da zu lesen, «und im Bewusstsein meiner Pflicht gegenüber dem Commonwealth, habe ich mich entschlossen, diese Erwägungen über alle anderen zu stellen [...] Ich bin zutiefst dankbar für die Fürsorge all jener, die beständig für mein Glück gebetet haben.»
Dankbar auch für die «Times»? Das Blatt frohlockte am folgenden Tag: «Alle Menschen des Commonwealth werden Dankbarkeit empfinden, dass sie diesen selbstlosen königlichen Weg gewählt hat, wie sie es tief in ihrem Herzen von ihr erwartet hatten.» Der «Daily Mirror», trotzig wie immer, lehnte es ab, «in diesen erstickenden Singsang ‹Gut gemacht!› einzustimmen». Der «Guardian» prophezeite: «Diese Entscheidung wird von der großen Mehrheit als unnötig und womöglich als große Verschwendung angesehen werden. Und langfristig wird sie nicht günstig auf die Glaubwürdigkeit und den Einfluss
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