Elizabeth II.: Das Leben der Queen
Reichs» zwischen Frankreich und Deutschland zu verhindern. Das hatte bereits Robert Vansittart, Unterstaatssekretär im Foreign Office und vor dem Zweiten Weltkrieg einer der schärfsten Deutschlandgegner, in seinen Memoiren «Events and Shadows» (1947) vorformuliert: «Es wäre undenkbar, dass Großbritannien außerhalb Europas bliebe [...] und eine Föderation unter der Anführung von Frankreich und Deutschland einsegnete.» Das deutsche Publikum in seiner ungebremsten Anglophilie kam – wie zuvor der Bundestag nach nüchterner Erwägung – diesem Gedanken beim Besuch der Queen 1965 entgegen.
Die Planungen für den aufwendigen Staatsbesuch hatten zwei Jahre verschlungen, auch weil das Protokoll beider Seiten besonders knifflige Fragen zu lösen hatte, nicht zuletzt in Bezug auf die Behandlung der deutschen Verwandten des königlichen Paares. Da gab es die dem Hof gänzlich widerstrebenden Coburger, deren letzter Herzog als Gauleiter der Nazis gedient hatte, da gab es die Ehefrau des Herzogs von Braunschweig, des Kopfes des Hauses Hannover, die ein überzeugtes Hitlermädchen gewesen war. Auch wünschte die Queen, einige Orte aus der Jugend ihres Mannes aufzusuchen, darunter Schloss Salem, wo Philips Schwester Theodora lebte, und Schloss Wolfsgarten im Hessischen, ein alter Besitz der Herzöge von Hessen und bei Rhein, eines Zweiges der Battenberger. Endlich einigte man sich darauf, die Verwandten nur zu Terminen in den jeweiligen Bundesländern einzuladen, in denen sie lebten, so dass das Programm der Begegnung einen Halt gab. Das waren noch Anlässe genug, machten die Gäste doch insgesamt acht (von damals elf) Bundesländern ihre Aufwartung.
Pikant wurde im Vorfeld des Besuches in München eine Anfrage des Herzogs Albrecht in Bayern, des Kopfes der Wittelsbacher, der über viele verschlungene dynastische Wege ein katholischer Erbe der Stuarts und somit Anwärter auf den englischen Thron war. Herzog Albrecht ließ durch einen Mittelsmann bei Prinz Philip, über den alle entsprechenden Wünsche der deutschen Verwandten liefen, nachforschen, ob die Anwesenheit eines Wittelsbachers und entfernten Thronprätendenten bei einer geplanten Aufführung des «Rosenkavaliers» genehm sei. Die Frage allein war schon ein Witz, da der «Act of Settlement» von 1701 jede katholische Erbfolge auf dem englischen Thron entschieden ausgeschlossen hatte. Philip machte sich daher ein Vergnügen daraus, die Anfrage auf seine halbernste Art einfach abzuschütteln: «Sagen Sie dem Herzog, wir haben nichts dagegen, aber die Aufführung soll eine verdammt langweilige Angelegenheit sein.»
In Köln sprach Joseph Kardinal Frings fünf Minuten lang auf Englisch, das er auswendig gelernt hatte, obwohl ihm die Sprachevollkommen fremd war. An einem programmfreien Abend in Duisburg, wo die Gäste das Mannesmann-Hüttenwerk Huckingen besucht hatten, lud die Queen die örtlichen Honoratioren zum Dinner ein, was als große Geste gewertet wurde. In Hamburg meinte der Erste Bürgermeister Paul Nevermann, er könne laut Tradition nicht einmal für eine Königin von seinem Amtssitz die Rathaustreppe hinuntergehen, um sie zu empfangen, «aber für eine Lady schon». Besonders gefesselt war die Queen, als man ihr in Hannover den Originalbrief der englischen Magnaten an den Kurfürsten von 1714 zeigte, mit dem diese Georg dringend aufforderten, nach London zu kommen, um den englischen Thron wie vom Parlament beschlossen zu besteigen: «Königin Anne liegt im Sterben, kommen Sie schnell, gewisse Personen wollen einen jakobinischen Erben [den Sohn des katholischen – und verjagten – Stuart-Königs James II.], nicht Sie.»
Wenn es bei der Queen überhaupt einen Moment der leichten Verwirrung gab in diesen deutschen Tagen, dann verdankte er sich dem Übermaß an Begeisterung vor allem in Berlin; das machte ihr zu schaffen. «E-li-za-beth, E-li-za-beth», skandierten die entzückten Zuschauer. Die so Umjubelte erinnerte dies irgendwie an die ritualisierten Chöre aus der Nazizeit, eine späte Neuauflage von «Sieg heil!»-Frenetik, wie Außenminister Michael Stewart später mitzuteilen wusste. Der Politiker hätte seine Herrscherin beruhigen können mit dem Hinweis, dass die «Frontstadt» Berlin schon vor Elizabeth immer besonderen Enthusiasmus für Besucher gezeigt hatte, die wie John F. Kennedy oder Charles de Gaulle mit ihrer Anwesenheit in Berlin ein Bekenntnis zur ungeteilten Freiheit der Stadt ablegten. Aber das war, wie gesagt, nur ein
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