Elizabeth II.: Das Leben der Queen
ins Trudeln geraten ist.
Im «Winter des Missvergnügens» 1978/79, dem «winter of discontent», lief schließlich überhaupt nichts mehr: Tote wurden nicht beerdigt, der Müll nicht mehr abgeholt, die Ratten feierten Festwochen, und der Streik der Bergarbeiter machte den Einsatz des Militärsnötig, damit die Energieversorgung nicht zusammenbrach. Da endlich wachte England auf und wählte am 1. Mai 1979 Margaret Thatcher an die Macht. Seitdem gilt auf der Insel eine andere Zeitrechnung.
So stand es um das Land, dessen Staatsoberhaupt vom 22. bis zum 26. Mai 1978 zu seinem zweiten offiziellen Besuch in die Bundesrepublik reiste. Doch auch die Deutschen standen unter dem Schock einer Krise – 1977 war der Höhepunkt des RAF-Terrors gewesen, dem Generalbundesanwalt Siegfried Buback, der Vorstandssprecher der Dresdner Bank Jürgen Ponto und schließlich Hanns Martin Schleyer, der entführte Präsident des Bundesverbandes der Arbeitgeber, zum Opfer gefallen waren. Das Drama um die Befreiung der Lufthansamaschine «Landshut» auf dem Flughafen Mogadischu hatte den «Deutschen Herbst» zu einem wahren Alptraum gemacht. Man einigte sich daher mit dem britischen Vorauskommando auf ein weniger ausschweifendes Besuchsprogramm als 1965, das aber mit Bonn, Mainz, Berlin, Kiel und Hamburg gedrängte Termine genug aufwies. Dem Gast kam es vor allem darauf an, möglichst vielen Menschen – nicht Offiziellen – die Hand schütteln zu können, bei den königlichen
walkabouts,
die seit 1970 Standard geworden waren auf den Reisen der Monarchin: Die Queen verlässt dann die amtliche Limousine und geht für eine bestimmte Strecke die erste Reihe der wartenden Menschen entlang, um so viele ausgestreckte Hände wie möglich zu berühren und hier und da für eine Plauderminute stehen zu bleiben.
Polizei und Grenzschutz waren alles andere als begeistert. In Bonn hatte man gerade den Besuch Leonid Breschnjews hinter sich gebracht, des sowjetischen Staatsoberhauptes, und dabei aus Sicherheitsgründen auf bisher noch nie erlebte Absperrungen gesetzt. Und der RAF-Terror warf noch viel ernstere Fragen der Sicherheit auf. Ausgerechnet da traten die Emissäre der Queen auf den Plan, um den Deutschen klar zu machen, dass Elizabeth sich auf keinen Fall derart einengen lassen werde. Majestät hätten es gerne entspannt. –Wie, die Queen wolle in der Mainzer Innenstadt und auf dem Berliner Ku’damm
walkabouts
machen? Forget it, auf Deutsch gesagt. Aber die Briten blieben eisern. «Die Königin isteine mutige Frau», ließ das Vorauskommando wissen und wies unter anderem auf ihren Vorjahresbesuch in Nordirland hin, wo sie ebenfalls alle Ratschläge, Gefährdungen durch die IRA zu meiden, in den Wind geschlagen hatte. Die Stationen ihrer Reise in den deutschen Frühling des Jahres 1978, als der frohgemute Walter Scheel Bundespräsident war, gingen dann auch ohne Zwischenfälle über die Bühne.
In den offiziellen Reden kam ein wichtiges politisches Datum immer wieder zur Sprache: 1975. Damals hatten die Briten sich in einer Volksabstimmung für ihren Verbleib in der EWG ausgesprochen, der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft, der sie 1973 zusammen mit Irland und Dänemark beigetreten waren. Die Bundesrepublik und Großbritannien konnten jetzt also endgültig als Mitglieder desselben Clubs miteinander umgehen, was die Queen als bedeutende Zäsur der Zeitgeschichte zu würdigen nicht müde wurde. So jedenfalls gab es die Sprachregelung des Foreign Office vor, dessen Sprachrohr das Staatsoberhaupt schließlich war, auch auf dieser Reise. Aber wie steht Elizabeth II. wirklich zu Europa, zu Brüssel, aus dem Entscheidungen fließen – vor allem im juristischen Bereich, etwa in der Menschrechtsgesetzgebung –, welche die Souveränität von «Her Majesty’s Government» und damit der Krone durchaus einschränken? Die Frage ließe sich kaum beantworten, gäbe es nicht die Erinnerungen von Roy Jenkins («European Diary», 1989), der von 1977 bis 1981 als Präsident die EU-Kommission leitete. Über die Antrittsaudienz bei der Monarchin gleich nach seiner Ernennung schreibt Jenkins: «Ihre europafreundliche Einstellung bedeutete nicht, dass sie unkritisch war gegenüber führenden europäischen Politikern. Giscard ordnete sie einigermaßen korrekt ein, dagegen unterschätzte sie Helmut Schmidt, wahrscheinlich zu stark beeinflusst davon, dass Schmidt einmal seine Zigarettenstummel überall auf den Tellern im Buckingham Palast ausgedrückt hatte.
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