Elizabeth - Tochter der Rosen
hatten, meine Krönungsfeier vollkommen zu machen. Die ganze Stadt funkelte. Die Straßen vom Tower zur Westminster Abbey waren gewaschen und mit Gobelins, Samt- und Seidenbannern behängt worden, die im Wind flatterten. Die aufgespießten Köpfe der Verräter hatte man von der Brücke entfernt, und die Gilden der Stadt säumten den Weg; jeder der Männer trug die Kleidung seiner Zunft. Die Leute waren auf Dächer und Mauern geklettert und standen auf Balkonen, um bessere Sicht zu haben. Gegen die Kälte hatten sie sich in Decken eingehüllt. Fröhlich lächelten sie mir zu. Jedes Mal, wenn die Prozession anhielt, erklangen die lieblichen Stimmen von Kindern, die für mich sangen. Manche waren als Engel verkleidet, andere als Heilige und Jungfrauen.
In Westminster wurde ich mit zahllosen Historienspielen und herrlichen Spektakeln unterhalten. Später am Abend nahm ich an der Tafel im Painted Chamber Platz, wo das Bankett am Vorabend meiner Krönung stattfand. Der ganze Saal duftete nach Ambra und Rosenblüten. Doch das Festmahl wollte mich nicht recht zerstreuen, denn ich vermisste Arthur und meine Mutter.
Der Erzbischof von York traf am folgenden Tag zu meiner Krönung ein. Es war das erste Mal, dass ich Rotherham seit Richards Hof wiedersah. Er hatte London verlassen, nachdem Henry ihn als Lordkanzler abgesetzt hatte. Vor allem aber hatte ich ihn nicht in guter Erinnerung. Ich nickte ihm artig zu und war froh, als er in der Menge der geistlichen Herrn und Mönche verschwand, die zwischen uns auftauchte. Mit Musik, Gesang und Pomp zog ich über einen mit Goldteppich ausgelegten Weg zur Westminster Abbey. Suffolk trug das Zepter vor mir her, Cecily hielt meine Schleppe, und Jasper Tudor folgte mir mit der Krone. Herzoginnen in scharlachrotem, mit Perlen besticktem Samt schritten hinter uns her.
Plötzlich ertönte ein schrecklicher Lärm. Zwischen den Reihen der Waffenknechte am Straßenrand hatte sich eine Lücke aufgetan, und dort drängte nun die aufgeregte Menge herein. Jeder wollte ein Stück von dem kostbaren Krönungsteppich ergattern, der traditionsgemäß ein Geschenk für das Volk war. Sie rangen miteinander, rissen den Teppich in Fetzen und griffen dann nach den Kleidersäumen meiner Damen. Die Herzoginnen kreischten, und alle flohen in Sicherheit. Schwerter blitzten auf, und diejenigen, die sich von dem goldenen Stoff abgerissen hatten, wurden niedergeschlagen.
Vor Entsetzen schloss ich für einen Moment die Augen und wandte das Gesicht von den Toten ab, die wie Unrat auf einen Karren geworfen wurden. Die Prozession formierte sich wieder, und ich bewegte mich schweren Herzens weiter. Dabei murmelte ich Gebete für die Seelen jener, die an meinem Krönungstag gestorben waren.
Ich ging durch das Westtor voran, an dem Chor vorbei zur Kanzel und königlichen Bank, wo Morton wartete, der die Messe lesen sollte. Hatte ich mich bisher vor dem gefürchtet, was vor mir lag, erschien es im Licht dessen, was eben geschehen war, nicht mehr so beängstigend. Ich näherte mich dem großen Altar und warf mich vor ihm nieder. Nachdem Morton ein Gebet gesprochen hatte, stand ich wieder auf und öffnete mein Gewand sehr vorsichtig; seine Fischaugen sollten nicht mehr als unbedingt nötig sehen, wenn er mir erst die Brust, dann den Kopf salbte. Die Berührung seiner fleischigen Finger, die fett wie Kalbswürste waren, war feucht, und ich musste mich zwingen, nicht zurückzuweichen. »In nomine Patris et Filii, et Spiritus Sancti, prosit haec tibi unctio ...« , sprach er und spreizte eine beringte Hand.
Während die Zeremonie voranschritt, wanderte mein Blick hinauf zu einer vergitterten Bühne hoch oben zwischen Kanzel und Altar. Von dort beobachteten Henry und seine Mutter meine Krönung, ähnlich zwei Fledermäusen in einem Käfig und vor allen verborgen. Niemand verstand, warum sie es so gewollt hatten. Einzig ich wusste, dass Margaret Beaufort lieber nicht dabei sein wollte, wenn sie schon nicht im Mittelpunkt stehen oder zumindest meinen Glanz teilen konnte. Aber verschlagen wie sie war, wollte sie natürlich alles sehen und wissen, ohne selbst gesehen zu werden. Es war eben Tudor-Art. Henry und seine Mutter spionierten mich genauso aus, wie sie mein gesamtes Volk ausspionierten. Schließlich ist er derselbe Mann, der nach Bosworth in London einzog und seine Untertanen durch die Vorhänge seiner Sänfte betrachtete, abgeschirmt von einem Heer bewaffneter Wachen, dachte ich .
An diesem Tag hatte es Tote
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