Elizabeth - Tochter der Rosen
gesehen und mehr mit Euch gesprochen hätte, wäre nicht ›diese strenge Dirne‹ gewesen, die ihn fortjagte!« Patch tänzelte durchs Zimmer, schwang dabei die Hüften übertrieben und endete mit einem Tritt in die Luft.
Ich kicherte über seinen kühnen Scherz, und Patch sah mich lächelnd an. Habe ich doch noch einen Freund gefunden?, fragte ich mich. »Patch, wärst du gewillt, etwas für mich zu tun?«
Er kniete sich zu meinen Füßen hin und schaute zu mir auf. »Mit Freuden und von Herzen«, flüsterte er Lancelots Schwur und presste dabei beide Hände auf seine Brust.
Ich neigte mich zu ihm hinunter. »Ich möchte, dass du jemanden findest, der Edward of Warwick Marzipan in den Tower bringt und herausfindet, ob er sonst noch etwas braucht.«
»Betrachtet es als getan, Mylady Königin.«
~
Bei meiner Rückkehr schien Henry sehr zufrieden mit mir zu sein. Am selben Abend kam er zu mir in meine Privatgemächer. Nachdem er alle hinausgeschickt hatte, einschließlich seiner Mutter, bat er mich, für ihn zu singen. Ich ließ meine Finger über die Laute tanzen und erhob meine Stimme, sodass sie die schwingenden Akkorde übertönte. Als das Lied zu Ende war, klopfte Henry auf den Stuhl neben sich. Ich setzte mich und strich unsicher über meine Röcke.
»Du gibst dich verblüffend desinteressiert an Macht, Elizabeth«, sagte er.
Ja, ich kenne die Gefahren der Macht allzu gut, überlegte ich. Machtstreben hatte Marguerite d’Anjou ins Exil getrieben, wo sie in Armut, heimat- und kinderlos gestorben war. Es hatte meine Mutter vernichtet und sie als Bettlerin in Bermondsey enden lassen, fernab vom Trost ihrer Kinder und Freunde, einzig auf Gott angewiesen. Sie, die Reichtum und Glanz anbetete, hatte sich zumeist wenig um Gott geschert. Ich hingegen wünschte mir nichts, als sicher zu sein und meinen Sohn großzuziehen, um England einen würdigen König zu geben.
»Ich strebe nicht nach Macht, Mylord. Sie vernichtet die Königinnen, die sie ausüben. Am Ende sind sie alle verhasst. Wenn ich einst vor Gott stehe, hoffe ich, sagen zu können, dass dieWelt ein besserer Ort ist als bei meiner Geburt.« Ich sah zu ihm auf. »Was hoffst du, mittels Macht für dich zu erreichen?«
Henry seufzte und schlug sich aufs Knie. Dann stand er auf und trat ans Fenster. »Ich möchte England Frieden durch eine feste Herrschaft geben. Ich möchte das Land groß machen. Vor allem aber wünsche ich mir, dass mein Sohn wohlbehalten auf den Thron gelangt, und dafür muss ich meine Krone schützen. Um das zu erreichen, werde ich alles opfern.«
Ein kalter Schauer lief mir über den Rücken. Henry hatte wie ein gejagtes Tier gelebt, Hunger und Kälte, Gefahr und Verzweiflung gekannt. Drei Mal war er knapp dem Tode entronnen. Könnte er sich jemals sicher fühlen? Ich schloss die Augen und sah den kleinen Edward vor mir, umgeben von lauter Waffenknechten, als er im Tower verschwunden war. Mutterlos, vaterlos, ein Nachfahre der männlichen Plantagenet-Linie, die England fast vierhundert Jahre lang regiert hatte. Das Kind stand Henry im Weg. Ich hatte geglaubt, ihn schützen zu können, indem ich Königin wurde. Nun wusste ich, dass ich es nicht konnte. Was wird aus ihm?, fragte ich mich mit bangem Herzen.
Henry sprach weiter. »Zu deiner Krönung ...«
Ich blinzelte und wurde auf einmal gewahr, dass ich nicht erwartet hatte, je gekrönt zu werden. Würde Henry lange genug warten, könnte ich sterben und er sich die Ausgaben sparen. Unsicher sah ich ihn an, doch seine Miene war so ausdruckslos wie immer: die schmalen Lippen fest zusammengepresst, die grauen Augen hart. War dies sein Friedensangebot an seine Verfolger, die Yorkisten, oder lediglich eine List, die Leute zu befrieden und künftige Revolten zu verhindern? War er nicht mehr eifersüchtig auf meinen höheren Thronanspruch oder zu der Überzeugung gelangt, dass ich wirklich nicht nach Macht strebte? Ich würde es nie erfahren, denn Henry öffnete sein Herz niemandem, ausgenommen vielleicht seiner Mutter.
Und was war mit meiner Mutter, die meine Krönung so herbeigesehnt hatte?
»Wird meiner Mutter die Ehre erlaubt sein, meine Schleppe zu tragen?«
»Über die Einzelheiten entscheide ich später, doch das bezweifle ich. Sie ist in letzter Zeit unwohl. Wie du weißt, wünscht sie keine Besucher und will nicht einmal mehr das Kloster verlassen.«
»Und mir auch nicht schreiben?«
Mein Sarkasmus entlockte ihm nicht mal ein Wimpernzucken. »Augenscheinlich nicht. Und
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