Elizabeth - Tochter der Rosen
anbieten konnte, war mein redlichstes Bemühen bei der Erziehung von Englands künftigem König. Ihn wollte ich die Ideale lehren, an die ich glaubte.
Wir erreichten den Tower. Henry erwartete mich in dunkelrotem Samt und juwelenbehangen, umgeben von seinen Dienern und fünfzig bewaffneten Freisassen. Als ich vom Kahn stieg, begrüßte er mich königlich und umarmte mich. Hierauf hob freudiger Jubel an. Diese Wirkung hatte er natürlich bezweckt. Aber wenn es mein Volk tröstete und seine Ängste milderte, an die Einigkeit von York und Lancaster zu erinnern, was war daran falsch? Die Menschen hatten drei Jahrzehnte Leid und Sterben hinter sich, und es war höchste Zeit, dass Frieden einkehrte.
Seite an Seite betraten Henry und ich den Residenzflügel des Towers, wo wir von den frisch geschlagenen Rittern des Bath-Ordens empfangen wurden. Den ganzen Tag und weit in den Abend hinein läuteten die Glocken von London; Bankette, Maskenbälle und Tänze wurden abgehalten. Am Sonntagmorgen ließ man mich allein, damit ich in Ruhe meditieren konnte. Ich kniete auf meinem Betstuhl, die Augen zum Himmel erhoben, wo Gott wohnte. Nachdem ich Ihm gedankt und um Seinen Segen gebeten hatte, wanderten meine Gedanken zu jenem, dem mein Herz gehörte.
Richard, dies schwöre ich dir: Ich werde die Königin sein, von der du wünschtest, dass ich sie sein soll. Nicht um Henrys willen, sondern für dich, für Arthur und für unser Volk, für das du gestorben bist, auf dass der Krieg ein Ende habe.
Nach dem Frühstück kleideten meine Hofdamen mich in ein edles weiß-goldenes Gewand. Ein Überwurf aus demselben Stoff und mit Hermelin abgesetzt wurde mit feinster Goldspitze und Seidenband über meinem Busen befestigt. Das helle Haar fiel mir offen bis unter die Knie, spärlich bedeckt von einem mit Edelsteinen verzierten Haarreif und einem Netz aus gewobenen Goldbändern.
»Wie sehe ich aus, Lucy?«, fragte ich die Hofdame, die ich für die ehrlichste von ihnen hielt.
»Mylady Königin, Ihr strahlt. Ihr scheint in einem goldenen Lichtkranz zu wandeln, und Euch anzuschauen ist, als würde man einen leuchtenden Sommertag sehen.«
Ich erinnerte mich, das Gleiche von Königin Anne gedacht zu haben, als ich so vor ihr gestanden hatte wie Lucy nun vor mir. Vielleicht war es mir gelungen, ein wenig wie sie zu sein, wie ich es mir stets gewünscht hatte. Ich legte eine Hand auf Lucys Arm und dankte ihr mit einem Lächeln.
Feierlich begleiteten mich meine Hofdamen und Diener dieTower-Treppe hinunter zum Hof. Dort erwartete uns bereits die Prozession aus Lords, Ladys, Stadtvätern und Rittern des Bath-Ordens in vorgegebener Aufstellung. In Pelzen und Samt und mit Goldketten und Juwelen geschmückt, saßen die Lords auf ihren Rössern und funkelten in der Sonne. Auch die Pferde trugen edles Tuch mit Rosen-, Drachen- und Löwenwappen, sodass sich ein nahezu blendendes Licht ergab. Ich lächelte meinen Schwestern zu und stieg in meine mit Golddamast-Kissen ausgepolsterte Sänfte. Die Plätze meiner Schwestern hinter mir waren mit Vaters weißer Rose und Sonne verziert. Neben meinen Schwestern waren die Herzoginnen, und hinter ihnen ritten die Baronessen in rotem Samt und auf goldgeschmückten Pferden.
Dann erschien Margaret Beaufort. In exakt dem gleichen Kleid wie meinem und mit einem glitzernden Diadem im Haar nahm sie neben mir Platz. Auf ihr Nicken hin setzte sich die Prozession in Bewegung durch das große Tor. Lauter Jubel erklang, kaum dass wir den Tower verließen. Aus einem Meer von weißen Rosen erklangen ekstatische Rufe. »Elizabeth! Elizabeth! Gott segne Euch, Elizabeth! Gott segne die Tochter des Königs!« Ihre Aufregung war ansteckend, und mir ging das Herz auf, denn wo ich auch hinsah, winkten mir weiße Rosen entgegen, als wollten sie mir in Erinnerung rufen, wie sehr mein Vater seinerzeit von den Menschen bejubelt worden war.
Unauffällig blickte ich zu Margaret Beaufort. Sie saß still und stumm wie Alabaster neben mir und ahmte mein Winken nach. Keiner rief ihren Namen. Sie weiß, dass die Leute ihren Sohn nur meinetwegen als König hinnehmen, erkannte ich. Ich würde später um Vergebung bitten, aber jetzt konnte ich nicht anders, als eine gewisse Befriedigung ob ihres Unbehagens zu empfinden – nicht aus Eitelkeit oder wegen des flüchtigen Glanzes, sondern schlicht weil sie eine böswillige, engstirnige Frau war, die ihre Macht über andere genoss.
Mich rührte es, wie viel Arbeit sich die Bürger Londons gemacht
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