Elizabeth - Tochter der Rosen
Sommertag.«
Alle lächelten mich an, und ich fühlte mich trotz des stürmischen, kalten Novembertages von einem warmen Kokon umfangen.
»Ich wünschte, ich könnte öfter herkommen und euch sehen«, antwortete ich, »aber mein Harfen- und Lautenunterricht wie auch meine Französischstunden, die Handarbeiten und die Gobelinstickerei hindern mich daran, das Latein nicht zu vergessen. Und ich kriege Schimpfe, wenn ich mich davonstehle.«
»O meine arme süße Prinzessin, wer könnte zu Euch streng sein? Hier, setzt Euch auf den Hocker, und ich hole Euch Marzipan. Wir haben eben welches bereitet.«
Das Marzipan war köstlich, trotzdem gab ich acht, es nicht so gierig zu verschlingen, wie ich gern wollte, denn als Prinzessin musste ich gute Manieren zeigen. Nachdem sie mich verwöhnt und gelobt hatten, machten sich alle wieder an ihre Arbeit und dachten gar nicht mehr weiter an mich. Nun erfuhr ich mehr über Onkel George.
»Armes Kind«, flüsterte jemand. »Sich vorzustellen, was um die Kleine herum vorgeht! Bald wird sie um einen Onkel trauern.«
»Der König wird seinen Bruder doch gewiss am Ende begnadigen, oder?«, erklang ein anderes Raunen.
»Nein. Es heißt, die Königin will unbedingt Clarences Blut sehen, weil er sie beschuldigt, dass sie ...«
»Schhh! Du bringst uns noch alle in den Tower, wenn du nicht aufpasst!«
Keiner, den ich fragte, wollte über meinen Onkel George reden, und erst bei einem meiner nächsten Ausflüge in die Kücheerfuhr ich, dass Anne Neville als Magd gearbeitet hatte, als mein Onkel sie aus Neid auf seinen Bruder Richard in einer Londoner Küche versteckt hatte. Nun wusste ich zwar, dass mein Onkel George zum Tode verurteilt worden war, aber immer noch nicht, warum er meiner Mutter die Schuld am Tod seiner Frau Bella und seines Kindes gab. Schließlich hatte Mutter nichts weiter getan, als ihren Arzt und ihre Hebamme zu Tante Bella zu schicken. Obgleich dies unsere Weihnachtsfeierlichkeiten überschattete, herrschte bald schon wieder Freude im Palast, weil eine königliche Vermählung in Westminster anstand. Mein vierjähriger Bruder Dickon heiratete die vermögendste Erbin im Königreich, die achtzehnjährige Anne Mowbray, Duchess of Norfolk.
Im Januar, sobald Weihnachten hinter uns lag und die Glocken das neue Jahr 1478 eingeläutet hatten, wurden die Vorbereitungen für Dickons Vermählung mit ganzer Kraft vorangetrieben. Unterdes blieb mein Onkel George im Tower.
Der Hof glitzerte vor Kerzen, Fackeln, frischen Seidenbehängen, neuen Gobelins und Kränzen von Immergrün und Tanne. Hunderte Adlige hatten sich trotz des harschen Winters aus allen Teilen Englands auf den Weg nach London gemacht, um bei Dickons Vermählung dabei zu sein, und meine Eltern waren entschlossen, den Anlass so prunkvoll und unvergesslich wie irgend möglich zu gestalten. Vielleicht wollten sie die anderen so von den Schwierigkeiten mit Onkel George ablenken. Während der Feierlichkeiten bemerkte ich jedoch immer wieder, wie die Gäste besorgt und ängstlich zu meinen Eltern sahen.
Als ich mit Papa tanzte, schien es mir, als wäre das Lachen, das die Hofnarren den Hochzeitsgästen entlockten, nicht ganz so ausgelassen wie sonst. Zwischen Trommelwirbeln eilten die Diener hin und her und trugen die Gänge auf – Schwan, geröstetes Wildschwein und glasiertes Rebhuhn. Andere fülltenwürzige Saucen und Suppen in die Schalen, und wieder andere verteilten Pasteten, Törtchen und feines Weißbrot sowie Kartoffeltaler, Pfannkuchen, Früchte und Gemüse. Doch obwohl alle lächelten, während sie aßen und tranken, hatte ich das Gefühl, ihre Fröhlichkeit wäre gezwungen. Mein Vater und ich begaben uns wieder an unsere Tafel auf der Empore, zurück zu meinem düsteren Onkel, Richard of Gloucester.
Er saß bei seiner Frau, Anne Neville, der Tochter des Königsmachers, und rührte sein Essen und sein Getränk kaum an. Sie beide beobachteten ernst, wie wir unsere Plätze wieder einnahmen. Es war offensichtlich, dass sie sich sehr unwohl fühlten und lieber nicht hier sein wollten. Dann griff mein Onkel Richard of Gloucester nach dem Arm meines Vaters, beugte sich näher zu ihm und flüsterte ihm eindringlich etwas zu. Ich verstand nicht, was es war. Auf einmal erhoben sich mein Vater und meine Mutter wortlos – zumindest hatte ich nichts gehört – und gingen tanzen. Was Onkel Richard gesagt hatte, musste mit Onkel George zu tun haben, denn meine Eltern lächelten beide nicht.
Meine
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