Elizabeth - Tochter der Rosen
gehalten, Elizabeth. Er nennt mich einen Bastard.«
Vor Entsetzen stieß ich einen stummen Schrei aus. »Papa, jeder weiß, dass du der rechtmäßige König bist. Wieso sagt er solche furchtbaren Dinge?«
»Wir wissen es nicht. Wir glauben, dass etwas mit ihm nicht stimmt. Er hat schreckliche Sachen gesehen, als er ein kleiner Junge war. Henrys Königin, Marguerited’Anjou, nahm die Stadt Ludlow ein und zwang ihn mitanzusehen, was ihre Soldaten mit den Bürgern machten. Es könnte seinen Verstand angegriffen haben. Wir wissen einfach nicht ...«
Für einen Moment verlor er sich in seinen Gedanken. Schließlich sagte er: »Und jetzt beschuldigt er deine Mutter der Hexerei.«
In mir krampfte sich alles zusammen, und ich schluckte angestrengt. Sogleich sah ich meine Mutter und Großmutter mit dem alten Mönch im Weinkeller der Abtei vor mir, wo sie diesen befremdlichen Nebel heraufbeschworen.
Mein Vater klang leise und gedankenverloren. »Hexerei ist eine fatale Anschuldigung ... Die Strafe ist Verbannung oder Tod.«
Ich schob meine fürchterlichen Gedanken weit von mir. Nun verstand ich, warum meine Mutter so dringend bat, mein Vater möge Onkel George zum Schweigen bringen. Zwei Abende zuvor hatte ich sie beide streitend im Privatgemach meines Vaters angetroffen. Mutter war auf den Knien gewesen, hatte geschluchzt und die Hände gerungen. Seit den finsteren Tagen im Kloster hatte ich sie nicht so aufgelöst gesehen. »Schick ihn in den Tower!«, rief sie. »Du darfst nicht erlauben, dass er solche Geschichten verbreitet. Lass ihn nicht am Leben! Er wird uns zerstören ... unsere Kinder vernichten ... Edward, um Gottes willen, tu es ...«
Manche Dinge waren mir nach wie vor unbegreiflich. Wie konnte ein Hexereivorwurf gegen meine Mutter uns, seine Kinder, vernichten? Ich erschauderte innerlich. Auch wenn mir wohl vieles nie erklärt werden würde, wusste ich eines doch sicher: Ich wollte nicht, dass meine Mutter verbannt wurde. Bisweilen war es mir, als hasste ich sie, doch ich liebte sie auch – nicht so sehr wie meinen Vater, aber ich wollte nicht, dass ihr Böses widerfuhr.
Es dauerte nicht lange, bis uns die Nachricht erreichte, dass Onkel George in den Tower geworfen worden war. Bald darauf erhielt Papa Besuch von meinem Onkel Richard, und ich lauschte an der Tür, als sie stritten.
»Lass ihn frei, Edward!«, forderte Onkel Richard zornig.
»Das kann ich nicht. Und ich will es nicht. Er hat es nicht verdient.«
»Er ist unser Bruder.«
»Er ist ein Verräter, noch dazu ein gefährlicher. Ich wäre ein Narr, ihn freizulassen.«
»Gott wird dir zürnen, wenn du es nicht tust. Denk an Kain und Abel!«
Ein Kälteschauer lief mir über den Rücken.
Ich hatte meinen Onkel Richard of Gloucester in den letzten Jahren kaum gesehen. Nach Barnet und dem Krieg mit Frankreich hatte er sich verändert und lächelte nur noch wenig. Er war in den Norden zurückgekehrt und sehr selten bei Hof. Folglich wusste ich nicht recht, was ich von ihm halten sollte. Mit seiner dunklen Gestalt sah er dem Rest unserer Familie überhaupt nicht ähnlich, denn wir waren alle blond und hellhäutig. Zudem hatte Richard im Gegensatz zu meinem Onkel George of Clarence nie viel geredet. Er behielt seine Gedanken für sich, so wie ich. In dieser Hinsicht unterschied er sich auch sehr von Onkel Anthony, dem Bruder meiner Mutter. Er nämlich redete sehr viel über Dichtung, Literatur und seine Reisen in ferne Länder. Nun ertappte ich mich dabei, wie dieser fremde, grüblerische Onkel, der so anders als alle anderen war, die ich kannte, meine Neugier weckte.
Ich ging hinunter in die Küche, wo ich stets Neuigkeiten aufschnappte. Dort genoss ich es, am Feuer zu sitzen und den Mägden zuzuhören, die bei ihrer Arbeit plauderten. Die Chefköchin verwöhnte mich jedes Mal mit Süßem oder anderen Köstlichkeiten und war eher bereit als meine Amme, meine Neugier zu befriedigen.
»Seht mal, wer uns besucht!«, rief sie freudig aus. Sie war eine rundliche Frau mit einem runden Gesicht, rosigen Apfelwangen und einem breiten Lächeln. Strahlend kam sie hinter ihrem langen Tisch hervor, wischte sich die Hände an ihrer Schürze ab und machte einen Knicks vor mir. »Es ist ein schöner Tag,wenn solch eine goldene Prinzessin uns besuchen kommt, nicht wahr? Ihr seid eine Freude anzuschauen, meine schöne kleine Prinzessin, mit Eurem hellen Haar und den großen blauen Augen. Ich schwöre, Ihr seht aus wie ein schöner
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