Elizabeth - Tochter der Rosen
Augen und sah Kate, die über mich gebeugt war und mich entsetzt anstarrte. Ich stützte einen Ellbogen auf. »Was ist? Was ist geschehen?«
»Perkin! Es ist wegen Perkin! Er ist geflohen!«
Henry schien seltsam gleichgültig, als er später am selben Abend in mein Gemach kam.
»Wie konnte Perkin entkommen, wenn er mit zwei Wachen in deiner Kleiderkammer im oberen Stockwerk schlief?«, fragte ich und bemühte mich, nicht misstrauisch zu klingen. Damit er mir meine Skepsis nicht ansah, hielt ich den Blick auf meine Stickarbeit gesenkt.
»Die Diener waren unaufmerksam«, antwortete Henry. »Sie hatten das Fenster offen gelassen.«
»Warum sollte er überhaupt zu fliehen versuchen? Wo kann er denn hin? Er hat kein Geld, keine Freunde. Er weiß, dass es hoffnungslos ist.«
»Er läuft immerzu weg, aus Tournai, aus Irland, aus Schottland. So ist er eben.«
Es war eine höchst unbefriedigende Erklärung, wie Henry gleichfalls wusste.
»In seiner Lage wegzulaufen ist dumm, und Perkin ist keinNarr«, erwiderte ich. »Er spricht Latein und vier weitere Sprachen, liest, schreibt und beherrscht drei Musikinstrumente. Überdies reitet er gut und kann mit Ritterwaffen umgehen. Das alles macht ihn zu einem Genie, bedenkt man, dass er angeblich der Sohn eines Flussschiffers sein soll.«
»Ihm sind diese Dinge geläufig, weil deine Tante ihn unterwies!«, rief Henry erbost aus und sprang auf. »Ich wäre dir dankbar, wenn du dich aus meinen Angelegenheiten heraushieltest, Madame.« Mit diesen Worten machte er auf dem Absatz kehrt und verließ mein Gemach.
Ich blickte ihm nach. An Perkins Flucht war etwas faul. Henry war in Perkins Gemahlin verliebt, und er besaß die Macht, sich seines Rivalen zu entledigen. Warum sollte er sie nicht nutzen? Vor allem nachdem Isabella und Ferdinand endlich ihre Antwort geschickt hatten.
Ihr Rat an Henry lautete, dass sie ihre Tochter nicht zur Vermählung mit Arthur senden könnten, solange Perkin Warbeck und Edward, Earl of Warwick, am Leben waren.
~
Perkin wurde vier Tage später eingefangen und in den Tower gebracht, wo man ihn in eine Zelle direkt unter Edwards sperrte. Nach einer Privataudienz bei Henry wurden Catherine Gordon alle Bediensteten bis auf eine genommen. Es hieß, sie habe bei der Flucht ihres Gemahls geholfen. Ich wusste, dass dem nicht so war. Henry bestrafte sie, weil sie nach wie vor seinen Avancen nicht nachgab, obgleich ihr Gemahl für immer verloren war.
Mir ging das Herz über vor Mitgefühl mit der jungen Schönheit.
Im Juli traf eine Gesandtschaft von meiner Tante Margaretein, angeführt von dem hochrangigen Bischof von Cambrai. In der Ecke meines Gemachs, hinter verschlossenen Türen und Fenstern, vertraute de Puebla mir an, was er gesehen hatte.
»Am Montagmorgen, dem dreizehnten Juli, führte König Henry selbst den Bischof und mich zum Tower. Der Bischof bat, dass man ihm Perkin herausbrachte, damit er ihn sehen und mit ihm sprechen konnte. Anscheinend wünscht Eure Tante, die Herzogin von Burgund, zu erfahren, wie es ihm geht. Es heißt, sie wäre in solch großer Sorge um Perkin, dass sie bereit ist, alles zu tun, jedwedes Versprechen zu geben, wenn König Henry ihr nur Perkin zurückschickt. Ihre einzige Hoffnung ist, dass Cambrai ihre weiße Rose noch retten kann.«
»Wurde er herausgebracht?«
De Puebla nickte, blieb jedoch stumm.
»Habt Ihr ihn gesehen?«
Wieder nickte de Puebla.
»Wie geht es ihm?«, fragte ich. Mir war mulmig vor Angst.
De Puebla seufzte und erzählte leise: »Er ist sehr verändert, meine Königin. Ich hätte ihn beinahe nicht erkannt. Er ist ... Er ist desfigurado . Sie haben ihm das Gesicht eingeschlagen.«
Entsetzt riss ich die Augen weit auf.
»Ihm bleibt nicht mehr lange zu leben«, ergänzte de Puebla flüsternd.
Mit einiger Mühe erreichte ich meinen Stuhl und sank darauf.
De Puebla wandte sich ab. »Er wurde in Fußketten und diesen Hals- und Handschellen gebracht, wie man sie bei wilden Tieren verwendet.« Er zögerte einen Moment, ehe er fortfuhr: »In der Kapelle Unserer Heiligen Jungfrau musste er sich in den Ketten hinknien und vor dem Bischof von Cambrai schwören, dass Duchess Margaret wisse – wie er selbst auch –, dass er nicht der sei, der er zu sein behauptet ...« Weiter sprach er nicht.
Ich biss mir auf die Unterlippe. Perkin war gezwungen worden, diesen Schwur zu leisten.
»Es geschieht ihm recht«, murmelte de Puebla.
Auch er sprach nur aus, was man von ihm erwartete. Durch
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