Elizabeth - Tochter der Rosen
Er ist jetzt über vierzig, und es handelt sich ohne Zweifel um die lächerliche Fantasie eines alten Mannes. Überall trägt er Andres Schrift in einem schlichten braunen Lederbuch mit sich herum und liest sie heimlich, wenn ich ihm in meinem Gemach auf der Harfe vorspiele, als wüsste ich von nichts!«
Kate sah mich traurig an. »Wie empfindest du dabei, Elizabeth?«
Wie empfand ich dabei? »Ich bin natürlich betrübt.« Und wütend. Wütender, als ich zugeben möchte, setzte ich stumm hinzu.
»Aber du liebst ihn nicht. Das hast du nie. Ist es da nicht anders?«
Ich seufzte. Kate hatte recht: Es sollte leichter zu ertragen sein, weil ich Henry nicht liebte. Nur war es das nicht. »Ja, doch wir haben vieles geteilt, und jetzt muss ich mitansehen, wie er sich zum Narren macht – und mich – wegen dieses armen Mädchens.«
Kate hatte sanft ihre Hand auf meine gelegt. »Ich begreife nicht, wie du das hinnehmen kannst.«
Ich nehme es hin, wie ich alles hingenommen habe, was mir widerfahren ist, dachte ich. Ich suche Trost im Gebet, und irgendwie finde ich die Kraft zu ertragen, was Gott mir bestimmt.
Nun zwang ich mich, nicht zu dem jungen Paar zu schauen, und stattdessen zu de Puebla, der auf mich zukam. Er verbeugte sich vor mir, und ich reichte ihm meine Hand zum Kuss.
»Doktor de Puebla, die Angelegenheit, die ich mit Euch bereden möchte, ist folgende«, sagte ich. »Ich habe mit Mylord König Henry über Eure Geldnöte gesprochen, mein lieber Gesandter, und wir glauben, dass wir einen Weg gefunden haben, wie Ihr besagte dauerhaft überwindet.« Ich lächelte ihn an. »Doktor de Puebla, König Henry möchte Euch einen Bischofstitel anbieten. Eine reiche Diözese würde Euch die Mittel zum Unterhalt bieten, wie sie jeder Adlige zur Verfügung hat.«
Als ich auf de Pueblas Antwort wartete, nahm ich aus dem Augenwinkel Harrys neuen Lehrer, John Skelton, wahr, der durch den Türbogen auf der gegenüberliegenden Seite der Halle trat. Er war von Margaret Beaufort ausgesucht worden: ein Dichter, dessen Zeugnisse aus Oxford und Cambridge sie auf ihn aufmerksam gemacht hatten. Bei Hofe war er seit 1495 ständiger Gast und schrieb und rezitierte seine Reime zusammen mit Andre. Mit seinem schwarzen langen Mantel, der runden Kappe und den huschenden kleinen Augen erinnerte er mich an eine Fledermaus. Sobald er Perkin und Catherine Gordon erblickte, schwenkte er herum und stürmte mit finsterem Blick auf sie zu.
De Puebla verneigte sich tief. »Hoheit, Euer Angebot ist mehr als großzügig. Ich weiß nicht, was ich sagen soll ...«
Ich ergriff seine Hand. »Nehmt es an, Doktor de Puebla!«
»Wie sehr wünschte ich, ich könnte, meine geliebte und gnädige Königin! Aber zuerst muss ich die Erlaubnis meiner Herren, des Königs und der Königin von Spanien, einholen. Ich darf sie nicht übergehen.«
»Unbedingt, mein lieber Doktor. Wir warten dann, wie Ihr Euch entscheidet.« Ich wollte gehen, doch dann fiel mein Blick wieder auf Skelton, der offenbar nicht ahnte, dass ich am anderen Ende der Halle stand und sehr wohl bemerkte, wie er Perkin anbrüllte. Ich schnappte sogar einen Fetzen von dem auf, was er schrie: »Wie kannst du es wagen, du Hundsfott!«
Bei seinen Worten errötete ich. De Puebla drehte sich ebenfalls zu Skelton um, und meine Hofdamen, die in der Nähe standen, verstummten mitten im Gespräch. Ich rief nach Lucy, die sofort zu mir kam.
»Bitte teile Lady Gordon mit, dass wir unser Kartenspiel gestern Abend sehr genossen haben und wünschen, dass sie heute Abend mit uns in unseren Privatgemächern speist!«, sagte ich.
Lucy begriff offensichtlich. Auf diese Weise teilte ich nicht bloß Skelton mit, dass ich anwesend war, sondern erinnerte ihn überdies daran, dass Perkins Gemahlin meine Gunst genoss. Lucy machte eine Knicks und ging.
»Euer Gnaden«, sagte de Puebla leise, »ich kenne keine sanftmütigere und freundlichere Königin als Euch.« Hastig ergänzte er: »Ausgenommen meine Königin Isabella natürlich. Gewiss wird es ein Segen für sie sein, Prinzessin Katharina in Eurer Nähe zu wissen, wenn die Prinzessin so weit weg von Spanien ist.«
»Ich freue mich darauf, sie als meine Tochter willkommen zu heißen«, entgegnete ich lächelnd.
Als ich zu Lucy sah, war sie bereits auf Lady Gordon zugegangen, und die ganze Gruppe blickte zu mir. Skelton wurde rot, verbeugte sich unterwürfig in meine Richtung und eilte aus der Halle. Lady Gordon machte einen tiefen Knicks. Perkins
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