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Elizabeth - Tochter der Rosen

Elizabeth - Tochter der Rosen

Titel: Elizabeth - Tochter der Rosen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandra Worth
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Miene konnte ich nicht deuten, doch ich glaubte, einen Ausdruck von Seelenschmerz wahrzunehmen, der meine eigenen Gefühle widerspiegelte. De Puebla wartete mit mir, solange Lucy mit Perkin und Catherine sprach.
    »Was war der Anlass für diesen unerquicklichen Disput?«, fragte ich, als sie wieder zu uns kam.
    »Es scheint, dass Perkin dem kleinen Henry Courtenay unlängst beibrachte, die Harfe zu spielen, und Master Skelton hat es nicht gut aufgenommen. Er betrachtet die Musik als seinGebiet und denkt, dass Perkin sich anmaßte, gewisse Grenzen übertreten zu dürfen.«
    »Ich danke dir, Lucy«, sagte ich. »Wenn Ihr erlaubt, Doktor de Puebla, würde ich mich jetzt gern auf meine Tagespflichten vorbereiten.« Ich neigte den Kopf zum Abschied.
    Die Sorge wegen Skelton veranlasste mich, einen Umweg über Harrys Unterrichtszimmer zu nehmen. Skelton war plump von Gestalt und mit einem engstirnigen Wesen gesegnet, was zur Folge hatte, dass er sich boshaft und rachsüchtig gegenüber jenen betrug, die ihm missfielen. Bei einem Streit mit einem anderen Poeten hatte er dem Kontrahenten einen Vers gewidmet, der da lautete:
    Verborgen in meiner Hose
    trage ich eine Rose,
    die passt in deine schottische Nose.
    Als ich mich näherte, hörte ich Harry etwas fragen, auf das Skelton antwortete, wusste jedoch nicht, worüber sie sprachen, ehe ich noch näher herangekommen war.
    »Es wird immer Intrigen und Aufstände geben, solange Euer Cousin, der Earl of Warwick, lebt. Besonders solange Warbeck lebt! Was habe ich Euch gesagt?«
    »Lieber soll ein Mann sterben, als dass viele untergehen«, zitierte Harry brav.
    »Richtig.«
    Erschrocken blieb ich stehen. Skelton heißt Mord gut!, durchfuhr es mich. Er lehrt Harry, wie man reinen Gewissens tötet und das Blut an den eigenen Händen rechtfertigt! Mir fiel sein Spottvers auf einen anderen seiner vielen Feinde ein, in dem es hieß, dass er ihn mit Freuden in Tyburn ausgeweidet sähe. Ich zwang mich weiterzugehen. Als sie mich sahen, sprangen Skelton, Harry und Henry Courtenay auf. Sie verneigten sich, wobei ich einen Punkt hinter Skeltons Kopf fixierte, um ihn nicht ansehen zu müssen.
    »Hoheit«, sagte Skelton, »Prinz Harry ist ein brillanter Schüler, allen, die ich in Oxford oder Cambridge lehrte, weit überlegen. Er ist eine entzückende kleine neue Rose, ein Halbgott von königlichem Geblüt.«
    Harry strahlte, während mir Skeltons überschwängliches Lob gar nicht recht war. Auch wenn Harry ohne Frage ein heller Kopf war, hatte er bereits jetzt eine zu hohe Meinung von sich, und solche Worte befeuerten bloß seinen Verdruss, zweiter in der Thronfolge zu sein. Skelton stellte ihm Henry als göttliches Instrument dar, gesandt, um einen jahrhundertealten Konflikt zu beenden. Überdies wuchs Harry im Glauben seines Vaters auf, dem zufolge die Tudor-Kinder eine einzigartige Beziehung zu Gott hätten und einem Wunder entsprungen wären. Harry war eifersüchtig auf Arthur und von einem extremen Ehrgeiz beseelt, jeden zu übertreffen. Dies waren besorgniserregende Züge bei einem Prinzen, der einst große Macht besitzen würde.
    »Sie sprechen von Idealen und haben Prinz Harry gelehrt, sich für Literatur zu begeistern, aber Kinder lernen viel durch das Beispiel, das wir ihnen geben«, sagte ich spitz.
    Er verneigte sich wieder.
    Skelton hatte längst erkannt, dass ich keinerlei Einfluss hatte, und auch wenn er verstand, was ich meinte, würde er sein Betragen wohl kaum ändern. Als ich ging, war ich besorgter denn je. Dieser Mann war kein geeigneter Lehrer für einen Prinzen. Ich überlegte, ob ich es Henry erzählen sollte. Gewiss wäre Margaret Beaufort aufgebracht, und es würde unangenehme Szenen geben. Nein, am besten sagte ich nichts und hatte meine Ruhe. Was würde es auch schon nützen? Meine Ansichten wurden ignoriert, wenn sie ihren widersprachen . Henry hatte seinerMutter die Verantwortung für die Bildung unserer Kinder übertragen, weil sie auf die Weise beschäftigt war und sich weniger in seine Staatsangelegenheiten einmischte.
    Meine Ohnmacht lastete wie ein bleiernes Gewicht auf mir, und ich war so niedergeschlagen, dass ich mich gleich nach dem Abendessen zu Bett legte. Trotzdem brach der nächste Tag viel zu rasch an. Es war der neunte Juni und Trinitatis. Noch ehe ich aufgestanden war, nahm ich im Halbschlaf verwirrenden Lärm wahr: Rufen, das Trampeln von Laufschritten, Gemurmel und Weinen.
    Jemand schüttelte mich. »Aufwachen! Wach auf!«
    Ich öffnete die

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