Elizabeth - Tochter der Rosen
Arthur.
Ich legte meine Nadel ab und sah Henry an.
»Er hat Antwort von Ferdinand und Isabella erhalten. Sie wollen die Prinzessin Katharina von Aragon nach England schicken, sobald wir bereit sind, sie zu empfangen.«
Mein Atem setzte aus. »Wie bald?«
»So bald, wie die Hochzeitsvorbereitungen erledigt sein können.«
»Nein!«, rief ich und sprang auf. »Nicht ehe er fünfzehn ist. Du hast es mir versprochen, Henry!«
»Wir müssen diese Allianz baldmöglichst besiegeln.«
»Er ist noch zu jung. Ein Jahr mehr kann doch nicht schaden.«
»Du bittest mich, in einer solch dringlichen Angelegenheit zu warten?«
»Ich bitte dich lediglich, dein Wort zu halten. Falls dir Ehre noch etwas bedeutet.« Eine Note von Verbitterung schwang in meinen Worten mit, denn ich konnte nicht umhin, mich des schändlichen Wortbruchs gegenüber Tyrrell zu erinnern.
Henry sah mich stumm an. »Ich nehme an, wir können ein Jahr warten. Der neue Palast in Richmond ist vorher nicht fertig.«
Unsagbar erleichtert sank ich auf meinen Stuhl zurück.
»Und du, Madame, solltest versuchen, dein bösartiges Naturell zu zügeln.« Er drehte sich um und ging hinaus.
»Und du, mein kalter Arsch von einem Lord, solltest versuchen, ein Herz zu finden«, zischte ich vor mich hin und stach meine Nadel in die Seide.
~
Henry befahl Massenverhaftungen.
»Suffolks Freunde und Verbündete müssen befragt werden. Alle, die ihn an die Küste begleiteten, müssen unter Arrest gestellt werden. Und jeder Verdächtige, der nahe der Küste gefunden wird, muss eingekerkert werden«, wies er Bray an.
»Es wird Zeit, dass du dich aller möglicher Rivalen entledigst, mein Sohn. Gnade ist eine Schwäche, und du warst viel zu nachsichtig«, sagte Margaret Beaufort.
Erschrocken blickte ich von Mechthilds Buch auf, mit dem ich auf der Fensterbank saß. Nachsichtig? Bei Gott, welche Perversion, Henry als nachsichtig zu bezeichnen! Ich zitterte, denn ich hegte nicht den geringsten Zweifel, welche Rivalen seine Mutter meinte. Wütend stand ich auf.
»Ich habe dich geheiratet, um dem Blutvergießen ein Ende zu setzen, und du mordest immer weiter! Wann wird es genug sein? Wann?«, rief ich.
Henry und seine Mutter wandten sich zu mir um. Wieder einmal hatten sie nicht bemerkt, dass ich im Zimmer war. Ich war und blieb die vergessene Königin. Einen Moment lang waren beide sprachlos. Dann erhob Henry sich und nahm meine Hand.
»Meine Liebe, denk an Arthur! Denk an deinen Sohn! Es ist um seinetwillen, dass wir tun, was wir müssen.«
Wir tun, was wir müssen.
Es gab kein Zurück.
Ich holte tief Luft. Mir fehlte die Kraft zu streiten, also ließ ich sie allein und zog mich in meine Gemächer zurück. Als ich an Harrys Schulzimmer vorbeikam, vernahm ich Stimmen. Die Tür stand halb offen, und ich blieb stehen, um zuzuhören. Der Name Suffolk fiel.
»Ihr habt die Chroniken gelesen«, sagte Skelton. »Diese Frage stellt sich schon seit Anbeginn der Zeit, und es gibt eine Antwort auf sie. Kennt Ihr sie?«
Harry nickte. »Lieber soll ein Mann sterben, als dass viele untergehen.«
Rasch presste ich eine Hand auf meinen Mund und lief weiter.
Ich hatte Skelton gebeten, Harry die Ideale der edlen und legendären Helden wie Alexander und König Artus zu lehren. Skelton war zugutezuhalten, dass er es versuchte, obwohl er wusste, dass ich keinerlei Einfluss hatte. Er predigte Harry, dessen unkontrollierbare Wutausbrüche allgemein bekannt waren, dass sein Kopf sein Herz lenken musste. Nur was sollte es nützen, wenn Harry gleichzeitig mitansah, wie Skelton auf seine eigenen Feinde mit poetischen Attacken losging, deren Brutalität und Grobheit ohnegleichen waren? Überdies hieß es von dem Priester, dass er eine Frau hatte und, laut Patch, den jüngsten und wehrlosesten der Dienerinnen nachstellte. Wiesen sie ihn ab, schmähte er sie mit Beschimpfungen, die nur dürftig als lateinische Verse getarnt wurden. Der Mann schien von Unzucht besessen zu sein. Für Skelton waren Frauen entweder Huren oder Göttinnen. Dies wusste ich, weil er mich in vielen schmeichelhaften Versen idealisierte.
Solch ein Mann ist kein geeigneter Lehrer für Harry, dachte ich wieder einmal, aber was kann ich tun?
Nichts.
Die Antwort war immer dieselbe: nichts.
Ich drückte das Buch der heiligen Mechthild an meine Brust. Einst hatten diese Worte jene ermutigt, die mir die liebsten gewesen waren. Ertrage, was du musst!, paraphrasierte ich sie, vergib und sei getröstet!
~
Als Weihnachten
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