Elizabeth - Tochter der Rosen
Kind überhaupt fähig zu solchen Intrigen? Oder waren meine Ängste schlicht meiner Fantasie geschuldet und meiner Erfahrung mit dem Schlimmsten, was die Menschheit hervorbrachte?
Ich konnte es nicht sagen; deshalb verdrängte ich diese furchtbaren Gedanken. Allein sie auszusprechen würde bedeuten, sie lebendig zu machen. Dennoch verfluchte ich Skelton. Er hatte Harry Ideen in den Kopf gesetzt, die niemals gedacht werden sollten, und ihm Dinge gesagt, die niemals gesagt werden durften.
~
»Harry, setzt du dich bitte her zu mir auf das Sofa?«
Er kam und warf sich auf den Platz neben mir. Ich konnte die Wut in ihm fühlen.
»Deute ich es richtig, dass du dich über die Entlassung deines Lehrers Skelton ärgerst?«
Er hatte die Arme vor der Brust verschränkt, schmollte und wollte mich nicht ansehen.
»Harry, eines musst du begreifen. Um deines eigenen Wohlergehens und das dieses großartigen Landes willen wird Arthur König. Du wirst nicht herrschen.«
»Master Skelton sagt, ich werde«, zischte er.
»Harry, das kann nur sein, falls etwas Schreckliches ...« Wieder durchfuhr mich ein eisiger Schauer, und ich bekreuzigte mich. »Wie kannst du deinem Bruder Böses wünschen?«
Nun sah er mich doch an. »Ich kenne ihn nicht. Er bedeutet mir nichts. Master Skelton sagt, ich bin brillanter und eher zum Herrscher geeignet als er.«
Mir lief es kalt über den Rücken. Das Gleiche hatte Morton zu Buckingham gesagt, und Buckingham hatte sich gegen Richard erhoben – möglicherweise nachdem er meine Brüder ermordet hatte. Dieses Böse in Harry musste im Keim erstickt werden. O, heilige Maria, Mutter Gottes, wie würde es enden?
»Aber Gott fand dich nicht würdig, Herrscher zu sein, Harry. Er sandte dich uns nach Arthur. Also hat er deinen Bruder für den Thron vorbestimmt, nicht dich.«
Harry sprang auf. »Arthur, Arthur! Immer Arthur!«, höhnte er. »Großmutter sagt, ich muss meine Mütze abnehmen, wenn Arthur anwesend ist, und darf sie erst wieder aufsetzen, wenn er es mir gestattet! Von dir und meinem königlichen Vater höre ich auch immer nur, wie vollkommen Arthur ist! Er ist euer Liebling, deiner und Vaters. Ich zähle gar nicht!«
Verwundert starrte ich ihn an. »Harry, wir lieben dich sehr. Doch du musst hinnehmen, dass Arthur König wird und du nicht. Es ist Gottes Plan.«
»Arthur kriegt den Thron in England, Margaret den in Schottland und Mary den in Frankreich. Was ist mit mir? Nur ich bekomme keinen Thron. Das ist nicht gerecht. Und es ist nicht Gottes Wille. Das hat Skelton gesagt!«
Mir verschlug es den Atem. Mein Blut floss in meine Füße, und ich zitterte wie ein Blatt im Herbststurm. Ich verließ das Zimmer und zwang mich, nicht an das Bild zu denken, wie mein Kind tobte und wütete, dass ihm die Augen aus dem Kopf traten und es die Zähne bleckte. Zorn und Hass verwandelten meinen Sohn in einen Dämon.
KAPITEL 28
Leuchtender Stern von Spanien · 1501 – 1502
C ECILY KNIETE VOR mir. »Ich bin gekommen, um dich um Vergebung zu bitten, meine Schwester.«
»Ich verstehe nicht, Cecily.«
»Mein Leben lang habe ich dir unrecht getan. Ich war eifersüchtig.«
»Eifersüchtig worauf?«
»Du hattest größere Brüste als ich.«
Wir beide lachten. Es war ein herzliches Lachen und doch angefüllt von jahrelanger Angst und Erinnerungen voller Freude und Kummer. Abrupt verstummten wir und sahen einander an. Ich streckte meine Arme aus, und sie richtete sich auf, um mich zu umarmen. Ein erstickter Laut verriet mir, dass sie weinte. Ich strich ihr über das helle Haar und küsste sie auf die Stirn.
»Schhh, liebe Cecily, Tränen sind unnötig. Du bist jetzt mit deinem Ritter verheiratet und glücklich, nicht wahr?«
Sie wischte sich die Tränen ab, schniefte und lächelte. »Ich bin so glücklich, Elizabeth! Im Kirchenasyl vor vielen Jahren hätte ich nie geglaubt, dass der Tag kommen würde, an dem Thomas und ich heiraten. Es ist ein Traum.«
»Thomas? Kirchenasyl?« Ich wollte nicht glauben, was ich hörte.
»Dort begegnete ich Thomas Kyme. Er war einer von unseren Wachen.«
»Ich ... Davon habe ich nichts gewusst.«
»Niemand wusste es, weil wir sehr vorsichtig waren. Es waren gefährliche Zeiten. Dann verheiratete König Richard mich mit Ralph Scrope, und die Hoffnung schien für immer verloren.«
»Aber ich dachte, Viscount Welles wäre deine Wahl? Du hast deine Ehe mit Scrope auflösen lassen, damit du ihn heiraten konntest.«
»Ach, Schwester, du bist so
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