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Elizabeth - Tochter der Rosen

Elizabeth - Tochter der Rosen

Titel: Elizabeth - Tochter der Rosen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandra Worth
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trankWein und prostete dem neuen Jahr 1500 zu. Mir ging das Herz vor Dankbarkeit über.
    »Möge uns Freude beschert sein!«, rief Arthur und hielt seinen Kelch in die Höhe.
    Alle Anwesenden wiederholten seinen Wunsch, nur eine stellte ihren Becher ab, ohne davon getrunken zu haben. Es war Catherine Gordon, die am Ende der Empore saß. In ihrem schlichten schwarzen Kleid war sie betörend schön, doch obgleich sie hie und da nickte und vornehm lächelte, wenn sie angesprochen wurde, umgab sie eine Aura tiefer Trauer. Seit dem Tag am Flussufer hatte ich sie wenig gesehen, auch wenn sie in meinen Gedanken wie in meinen Gebeten war. Mir entging nicht, dass Henry ihr keine lüsternen Blicke zuwarf.
    Wenigstens ist er nicht schamlos, dachte ich, das muss man ihm zugutehalten.
    ~
    Das neue Jahrhundert erwies sich nicht als freundlich. Der Tod hatte mich allzu lieb gewonnen und weigerte sich, mich freizugeben. Die Pest, die viele Tausend Leben ausgelöscht hatte, war vorbei, und in England erblühte ein herrlicher Sommer, als mein kleiner Sohn Edmund von einer seltsamen Krankheit befallen wurde und am neunzehnten Juni im Alter von sechzehn Monaten starb. Wir brachten seinen kleinen Leib von Greenwich nach Westminster. Wieder einmal standen der Bürgermeister, die Ratsherren und die Vertreter des Handwerks und der Zünfte an den Straßen, um unseren Kummer zu teilen. Edmunds winziger Sarg wurde zum Schrein von St. Edward in der Westminster Abbey getragen und neben seiner Schwester Elizabeth beigesetzt.
    So viel Trauer! Wie soll ich die ertragen?, fragte ich mich.
    Du musst, lautete die Antwort in meinen Gedanken. Übertriebenes Trauern erregt den Zorn Gottes. Richards Königin konnte ihren Kummer nicht verwinden, und es hatte Richard von seinem Thron gestürzt. Ich hob den Kopf und blickte zu dem Sarg im Nieselregen, der beinahe in der Prozession unterging. Ich musste stark sein, wenn nicht um Henrys willen, den ich nie geliebt habe, dann für Arthur, dem mein Herz gehört.
    Als ich nach der Beisetzung in meinem kleinen Garten saß, las ich in dem Meditationsbuch, das Bridget mir geschickt hatte. Es war von der heiligen Mechthild von Hackeborn, und sie schrieb über die Wiedervereinigung Liebender nach dem Tode. Der kleine Band hatte einst Richard und Anne gehört; deshalb trug er ihre Signaturen. Bridget hatte es einst von meiner Großmutter Cecily Neville erhalten und es mir gesandt, weil sie glaubte, dass es mir Trost spenden könnte. Es war, als hätte es mir der Himmel selbst schenken wollen. Mit wehem Herzen verharrte ich bei den Worten der heiligen Mechthild: Kommt und tut Reue; kommt und werdet versöhnt; kommt und werdet getröstet!
    Wir hielten Hof in Westminster, besuchten Coventry, wohnten prächtigen Mysterienspielen bei und ruhten uns in Windsor mit seinen schönen Jagdgründen aus. Doch jedes Mal, wenn ich an dem Hügel vorbeikam, auf dem ich mit Königin Anne nach dem Verlust ihres Kindes gesessen hatte, musste ich den Blick abwenden, um nicht von den schmerzlichen Erinnerungen überwältigt zu werden. Ich ritt wieder mit der kläffenden Hundemeute und spürte den Wind auf meinem Gesicht. Ich galoppierte durch dichte Wälder, wo ich mich unter den Ästen und Zweigen anmutiger Bäume duckte. Es war angenehm, an den Abenden den Klängen von Flöten, Zithern und Harfen zu lauschen und morgens zum Gesang der süßen Kinderstimmen im Dorf aufzuwachen.
    Eines Abends, als sich ein zartrosa Zwielicht über die Erde senkte, kehrte ich mit meinen Damen von einem Picknick im Wald zurück und bemerkte, dass ein großer Mönch den steilen Pfad zum Burgtor hinaufstieg. Er ging mit gesenktem Haupt und hatte mir den Rücken zugewandt, doch etwas an ihm kam mir vertraut vor. Ich ließ meinen Zelter langsamer gehen, als ich den Mönch eingeholt hatte.
    »Mein guter Mann«, sagte ich und zügelte mein munteres Ross, »kenne ich Sie?«
    Er hob den von einer großen Kapuze verhüllten Kopf und sah mich an. Da erblickte ich das silberne Kreuz an seinem Hals. Mir stockte der Atem.
    »Ich weiß nicht, meine Königin«, antwortete er. »Tut Ihr?«
    Staunend betrachtete ich sein Gesicht: das kantige Kinn, das dunkle Haar, die braunen Augen. Oh, Thomas, Thomas! Die Jahre hatten ihre Spuren hinterlassen, aber es war Thomas, der vor mir stand! Wie konnte er denken, dass ich ihn je vergessen würde? Erinnerungen stürzten auf mich ein, und in Gedanken sah ich den kleinen Teich vor mir, an dem wir uns früher trafen. Ich fühlte die

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