Elizabeth - Tochter der Rosen
endlich vor der Tür stand, freute sich der gesamte Palast mit mir, denn Arthur kam. Er wurde im ganzen Land für seine wohltätige Arbeit und sein freundliches, besonnenes Naturell geliebt, das ihn als sehr reif für sein Alter auswies. Der Einzige, der nicht entzückt zu sein schien, war Harry. Natürlich blieb mir nicht verborgen, wie kalt und hart seine Miene wurde, wenn er seinen Bruder ansah. Er begann, mich sehr an meine Mutter zu erinnern: gesegnet mit Schönheit und Charme, aber zugleich von launischem, eifersüchtigem Wesen. Oder war es eher seine andere Großmutter, der er ähnelte, Margaret Beaufort? Sie, die überall vor allen anderen kommen musste, die es nicht hinnehmen konnte, dass sich ihr jemand oder etwas in den Weg stellte – ihr eigenes Gewissen eingeschlossen. Ich verbannte meine finsteren Gedanken.
Wieder einmal fanden Arthur und ich Harry auf dem Thron im Audienzzimmer vor. Seine Freunde lagen flach vor ihm auf dem Boden. Ich fühlte, wie ich blass wurde, und auch Arthur neben mir wich alle Farbe aus dem Gesicht.
»Was tust du hier, Bruder?«, fragte er.
Harrys Freunde rappelten sich ängstlich auf und wichen zurück.
»Es ist bloß ein Spiel, Arthur, sonst nichts«, antwortete Harry, machte allerdings keinerlei Anstalten, vom Thron zu steigen.
Skelton war schuld hieran. Seine Schmeicheleien bezüglich Harrys Fähigkeiten hatten Neid in dem Jungen geweckt und ihn vergessen lassen, wo sein Platz im Leben war. Sollten sich die beiden Brüder dauerhaft zerstreiten, hätte es furchtbare Folgen für das Land. Hilflos, wie ich war, und stets bedacht, Konfrontationen zu vermeiden, hatte ich vier Jahre lang geschwiegen und Margaret Beaufort gewähren lassen. Nun erkannte ich, dass ich eingreifen musste, um den Verlauf künftiger Ereignisse zu lenken. Gäbe es einen Weg, wie ich zu Henry durchdringenkönnte, würde er dem ein Ende setzen. Er wollte gewiss keinen zweiten Clarence großziehen. Ich beschloss, mit ihm zu reden, wenn Arthur wieder fort war.
Während der Historienspiele und Festlichkeiten ruhte mein Blick noch häufiger und noch liebevoller auf meinem ältesten Sohn. Im neuen Jahr 1501 würde er fünfzehn und heiraten. Seine Vermählung sollte im November sein.
Bevor Arthur nach Wales zurückkehrte, nahm Henry uns mit zu dem neuen Palast, wo Sheen gestanden hatte. Mir graute davor, den Ort wiederzusehen, den ich so eng mit Perkin, Feuer und Tod verband. Es war nunmehr bekannt geworden, dass Perkin vor vier Jahren den Brand gelegt hatte, weil er in seiner Verzweiflung sich oder Henry hatte töten wollen. Ich hatte aufrichtiges Mitgefühl mit Catherine Gordon, die auf ihrem schwarzen Zelter ritt. Sie war in Witwentracht und erinnerte mich an Stauden-Feuerkraut, jene seltsame, liebreizende Blume, die einzig aus den Narben von Ruin und Flammen wuchs.
Ich zwang mich, den Blick wieder nach vorn zu richten. Aus der Asche von Sheen ragte der Richmond-Palast auf, von Henry nach dem Earls-Titel benannt, den er als Kind verloren hatte.
»Wie ein zweites Paradies«, staunte Kate.
Ja, das war er. Mit seinen Türmchen und den Wetterfahnen in Gold und Azurblau, die das königliche Wappen trugen, den vielen Stockwerken und den rosa Ziegeln und Steinen, die in der Sonne leuchteten, war der Palast eine wahre Pracht. Die breiten Gartenwege waren von Sträuchern gesäumt und Kräuter zu einem raffinierten Muster gepflanzt. Am unteren Ende des Gartens standen große Fässer zum Bogenschießen, und es gab Tennisplätze sowie Lusthäuser, wo wir an warmen Sommerabenden Schach spielen und würfeln konnten. Henrys Gemach verfügte über fließendes Wasser, und meine neue Kapelle war mit goldenen Kruzifixen und schweren Orientteppichenausgestattet. Sämtliche Zimmerdecken waren mit Tudor-Rosen und Beaufort-Fallgattern in Gold verziert. In der großen Halle stand ich am Erkerfenster, von dem aus man in den Teil des Gartens hinabblickte, der bis zum Sommer mit exotischen Bäumen und üppigen Weinstöcken bepflanzt sein sollte.
»Mylord, dies ist der schönste Palast, den ich je gesehen habe«, sagte ich bewundernd. »Er muss ein Vermögen gekostet haben.«
Henry lächelte. »Hat er. Aber Spanien besitzt die Alhambra, erbaut aus rotem Lehm, die angeblich eines der Weltwunder ist. Wir dürfen der spanischen Prinzessin nicht arm erscheinen.«
Bei der Erwähnung Spaniens erstarb mein Lächeln.
~
Henry saß mit seinem Schatzmeister am Tisch über den Kontenbüchern. Neben ihm auf einem Stuhl hockte sein
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