Elizabeth - Tochter der Rosen
Mann jedoch in der Schlacht starb, bat er um ihre Hand. Obgleich die junge Witwe die Tochter eines Verräters war und keinerlei Mitgift besaß, bat er Papa um die Erlaubnis, sich mit ihr zu vermählen. Wie ich vor langer Zeit von der Chefköchin meines Vaters erfahren hatte, endete die Geschichte damit noch nicht. Mein Onkel George of Clarence nämlich versteckte Anne in einer Londoner Küche, weil er dem Bruder sein Glück neidete. Monate später fand Richard sie und brannte mit ihr durch.
Unfähig, den Verlust jenes Mannes zu verkraften, den sie liebte, zog sich Catherines Mutter in ein Kloster zurück und gab ihre beiden Kinder, Cat und deren Bruder, Johnnie of Gloucester, in Richard of Gloucesters Obhut. Es war nicht bekannt, dass er sich seither je wieder mit einer anderen Frau eingelassen hätte. Mir ging durch den Kopf, wie sehr er sich hierin von meinem Vater unterschied, von dem es hieß, dass er in ganz England und halb Europa uneheliche Nachkommen hinterlassen hatte.
Ein Diener brachte eine mit geröstetem Kaninchen und zahlreichen anderen Fleischsorten beladene Platte. Wie üblich, lehnte ich dankend ab. Ohne meine Mutter, die mich barsch zurechtwies, hielt ich es für unnötig, Fleisch zu essen, und wählte stattdessen eine Waffel, ein Stück Birne und einige Nüsse aus dem reichhaltigen Angebot.
»Isst du kein Fleisch?«, fragte Königin Anne verwundert.
»Manchmal esse ich Hühnchen und hin und wieder Fisch, doch auch daraus mache ich mir nicht viel«, sagte ich verlegen. Dann bemerkte ich, dass auf Königin Annes Teller überhaupt kein Fleisch war. »Euer Gnaden, esst Ihr kein Fleisch?«
»Ich rühre es nie an, Elizabeth. Seit ich ein Kind war, habe ich eine Abneigung dagegen. Meine Mutter schalt mich deshalb und bestrafte mich, aber sie konnte es nicht ändern und gab es schließlich auf. Nun nörgelt mein Gemahl an mir und sorgt sich, dass ich zu dünn bin. Vielleicht lässt er mich in Frieden, wenn er dich sieht. Du bist das blühende Leben.« Lächelnd berührte sie meine Hand unter dem weißen Tischtuch.
Sie ist so zart und wirkt so fragil wie ein Vogel, dachte ich. Und wahrhaftig war einer von König Richards Kosenamen für sie »mein kleines Vögelchen«. Vielleicht hatte ihre Abneigung gegen Fleisch mit ihrer Tierliebe zu tun. »Sie sind unschuldig und hilflos«, hatte mir die sanfte Königin früher am Tag erklärt, als sie einen kleinen, ausgemergelten Hund auf ihrem Schoß hielt und streichelte, den sie auf der Straße aufgelesen hatte. »Wir können sie nicht alle retten, aber für die, die unsere Wege kreuzen, müssen wir tun, was wir können.«
Ich war die ständige Begleiterin der Königin, wenn sie die vielen Armenküchen besuchte, die sie neben Hospizen überall in der Stadt eingerichtet hatte. In den Küchen wurde von morgens bis abends Suppe an die Hungernden verteilt, und in den Hospizen nahm man die Kranken und Siechenden auf. Wer Geld, Gerechtigkeit oder königlichen Beistand brauchte, sprach bei Hofe vor, wo die Königin sich stundenlang ihre Bitten anhörte und niemanden abwies. So etwas hatte es am Hof meines Vaters nicht gegeben, weil meine Mutter Bittsteller nicht leiden konnte und sie meist sehr schnell wieder fortschickte.
Ich schaute dem steten Strom von Bittstellern zu, der durchdas Audienzzimmer zog: Ritter, die um Steuererlass baten, Knappen, die sich eine Stellung im königlichen Haushalt erhofften, Nonnen, denen die Mittel fehlten, einen kaputten Brunnen zu reparieren, Geistliche, die Geld erbaten, um einen armen Waisen aufzunehmen, Buchmaler, die um Pergament für ein Brevier ersuchten. Keiner wurde weggeschickt, und jedem schenkte Königin Anne großzügig ihre Zeit und ihr Geld. Einer Dame wie ihr war ich nie zuvor begegnet: so rein, so freundlich, so gänzlich frei von Bitterkeit, Falschheit oder Neid. Als ich in meinem weichen Bett lag, rief ich mir die Gesichter der Armen, Hungrigen und Kranken ins Gedächtnis. Sie alle hatten der Königin Segenswünsche zugerufen. »Gott lohne es Euch, oh, gütige Königin!«, hatten sie gerufen und den Saum ihrer Robe geküsst. »Gott schütze die gute Königin Anne!«
An meinem dritten Tag bei Hofe hörte ich, dass der Hofstaat nach Norden reisen sollte. Auch wenn König Richard auf dem Weg dorthin Recht sprechen und schlichten sollte, war der eigentliche Grund der Reise, dass sie ihren Sohn wiederzusehen wünschten, denn sowohl der König als auch die Königin vermissten ihr Kind Edward schmerzlich. Es war benannt
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