Elizabeth - Tochter der Rosen
Hertfordshire kamen, sah ich meine Mutter kurz. Ihre Freude, dass Dickon sicher in guten Händen war, wurde nun von ihrer Sorge um meinen Bruder Dorset getrübt. Er hatte Paris heimlich verlassen, sobald er ihren Brief erhalten hatte, und über Flandern nach England zurückkehren wollen. In Compiegne aber wurde er von Henry Tudors Männern aufgegriffen und nach Paris zurückgebracht, wo er nun unter Arrest stand. Ich umarmte meine Mutter, versprach ihr, für ihn zu beten, und beschwor sie, sich keine Sorgen zu machen. Cecily war wie immer frostig zu mir. Als ich sie umarmen wollte, war sie steif und hart wie eine Hammelkeule.
»Was ist mit dir, Cecily?«, fragte ich.
»Tu nicht so, als wüsstest du es nicht!«
»Als wüsste ich was nicht?«
»Dass sie Ralph, Lord Scrope of Masham, heiraten soll«, antwortete meine Schwester Anne.
»Du hast mich aufs Land geschickt, damit ich hier eingehe«, jammerte Cecily. »Ich hasse dich, Elizabeth!«
»Cecily, ich habe keinen Einfluss auf den König und die Königin und nichts mit dieser Entscheidung zu tun. Du hättest Scrope vor zwei Jahren bei Hofe keine schönen Augen machen dürfen, dass er sich in dich verliebt. Du bist selbst schuld.«
»Ich weiß, dass du dahintersteckst! Wahrscheinlich heiratest du irgendeinen König und wirst Königin und lebst an einemHof, wo du Maskenbälle und Bankette gibst, teuren Schmuck und Seidenkleider trägst. Das ist ungerecht!«
Dann brach sie in Tränen aus, und nichts von dem, was ich sagte, konnte sie überzeugen, dass ihr Unglück nicht mein Verschulden war.
Wir überquerten den Fluss Rhee, zogen über Hügel, durch Täler und winterliche Wälder, wo Narzissen und Schneeglöckchen die Köpfe aus dem halb geschmolzenen Schnee reckten und uns den Weg verschönerten. Wir kamen nur langsam voran, weil König Richard die Bitten der einfachen Leute hören und Streitigkeiten schlichten wollte, wo er konnte. Keine Angelegenheit schien ihm zu klein und unbedeutend, als dass sie sein Gehör verdiente. In den Dörfern und Weilern entlang der Route wurde er von Bauern begrüßt; kleinere Prozessionen jubelten ihm zu und boten ihm Geldgeschenke an, die er jedes Mal ablehnte.
»Eure Herzen sind mir lieber als euer Geld«, sagte er und beschenkte die Leute stattdessen selbst. In Stanstead Abbotts war es die Überlassung königlichen Wald- und Grundbesitzes, die es den Menschen dort beträchtlich leichter machte, ihre Familien zu ernähren; in Barwick war es die Gewährung von Rechten und Freiheiten; und überall war es Gerechtigkeit. Unermüdlich saß er örtlichen Gerichten vor und hörte sich die Klagen der Armen an. Geduldig stellte er Fragen, bis er die Wahrheit ergründet und die Schuldigen bestraft hatte.
Mir fielen einige Zeilen von Malory ein:
So rottet er aus den faulen Amtsträger,
der sich schuldig gemacht und Böses geduldet,
sein Säckel zu füllen ...
Erhellt die Finsternis und lässt Gerechtigkeit ein.
Ja, Gerechtigkeit, so erkannte ich deutlich, war König Richards Passion. Warum ihm so wichtig war, dass ein jeder gerecht behandelt wurde, ungeachtet seines Standes, konnte ich nicht sagen. Schließlich wussten alle, dass die Adligen über dem Gesetz standen und immer gestanden hatten. In unserer Welt taten die Starken, was sie wollten, während die Armen erlitten, was sie mussten, woran sich nie etwas ändern würde. Und dennoch schien König Richard entschlossen zu sein, genau das zu ändern. Sein Besuch erfreute manch ein Herz.
Endlich erreichten wir Cambridge, wo wir einige Tage rasten wollten, bevor wir nach Nottingham weiterzogen. Zwar hatte ich bemerkt, dass König Richard eine eindrucksvolle Bibliothek besaß, deren Ledereinbände auf ausgiebiges Lesen schließen ließen, trotzdem wunderte es mich, dass er so viel gelehrter war als mein Vater. Zwei Tage lang diskutierte er lebhaft mit dem Rektor und angesehenen Doktoren über Moralphilosophie und lateinische Theologie, und bevor wir abreisten, überreichte er ihnen eine großzügige Spende für die Universität.
Erst zehn Tage war ich am Hof und hatte bereits so vieles entdeckt, was ich an König Richard und Königin Anne bewunderte. Für mich war er der Inbegriff des wahrhaften Ritters, wie er in den Geschichten über König Artus beschrieben wurde, und ihm zur Seite stand seine wahre Liebe.
»König Richard kannte Sir Thomas Malory, nicht wahr?«, fragte ich Königin Anne, als wir durch den Sonnenschein ritten.
»Ja, er kannte ihn. Aber Malory gehörte zu
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