Elizabeth - Tochter der Rosen
waren sie seine Getreuen und standen geschlossen hinter ihm.
Von der Musikantengalerie erklang die Musik, und dennoch schien es mir, als käme sie von weit, weit her, denn gleichzeitig umfing mich ein traumähnlicher Nebel. Die Reihen der Tanzenden bewegten sich zur Melodie vor und zurück; wir drehten uns, wechselten die Positionen und die Partner und kehrten zurück. Sahen wir geradeaus, blickten wir zu Königin Anne, die mir aufmunternd zulächelte, und zum ersten Mal nahm ich die Ähnlichkeit mit ihr wahr: violett-silberne Robe, goldenes Haar und violette Augen; spitzes Kinn und Rosenknospenlippen. Ich wandte den Kopf zur Seite und lächelte König Richard zu.
Der grauhaarige Lord Howard klopfte den Takt auf seinem Schenkel mit und juchzte begeistert hinter mir. Erst jetzt wurde ich gewahr, dass man uns beobachtete. Manche Leute starrten uns stumm an, andere tuschelten miteinander, wieder andere bedachten uns mit unverhohlen feindseligen Blicken. Margaret Beaufort stand mit ihrem Gemahl, Lord Stanley, dessen Sohn George sowie ihrem Gefolgsmann Reginald Bray zusammen und beäugte uns mit hochgezogener Braue. Ich sah, wie sich die Countess auf der Empore ihrer Tochter näherte, sich zur Königin hinunterbeugte und ihr etwas zuflüsterte. Daraufhin blickten beide zu mir. Dann lächelte Königin Anne, was nicht nur mir, sondern dem gesamten Hof galt. Die Countess hielt die Hand ihrer Tochter, allerdings lächelte sie nicht. Selbst ausder Entfernung sah ich, dass ihr Kinn bebte und Tränen in ihren Augen glänzten.
~
Noch bevor der Dreikönigstag vorbei war, erreichten König Richard weitere schlechte Neuigkeiten. Der Lancastrianer-Lord John de Vere, Earl of Oxford, war von Hammes Castle in Calais entkommen und hatte sich mit seinen Männern Tudor in Frankreich angeschlossen. Schlimmer noch war, dass es Königin Anne beständig schlechter ging, je weiter der Januar fortschritt.
»Mir bleibt nicht mehr lange«, flüsterte sie mir zu. »Ich konnte den König nicht überzeugen, dich zu heiraten, Elizabeth. Du musst an Lord Howard schreiben, seine Unterstützung erbitten, denn keinen bewundert Richard so sehr wie ihn.« Sie brach ab, um Luft zu schöpfen. »Er ist ein enger Freund, beinahe wie ein Vater für Richard. Mit Howards Hilfe wird er gewiss ... diese Heirat nicht mehr für unmöglich halten ... Ich schreibe ihm ebenfalls.«
Königin Anne konnte nicht weitersprechen. Sie hustete heftig und kämpfte sichtlich damit, den blutigen Schleim aus ihrer Lunge heraufzuwürgen. Hinterher sank sie erschöpft in die Kissen zurück. Es brach mir das Herz, sie so zu sehen. Warum konnte der Herrgott ihrem Leiden kein Ende setzen? Warum musste sie sich solchermaßen quälen und mitansehen, wie viel es ihren geliebten Gemahl kostete, ihren langsamen Tod zu bezeugen?
Warum, warum, warum?
Ich schrieb an Lord Howard.
Mit dem Februar setzten scharfe Winde ein, und der bleierne Himmel drückte auf das Land, mit dem weitere üble Nachrichten über König Richard hereinbrachen. Ich tat für die armeKönigin, was ich irgend konnte. Wir hatten beide Antwort von Lord Howard erhalten. Sein Hilfsversprechen machte ihr ein wenig Mut, obwohl sie solche Schmerzen litt. Doch es gab auch wenige gute Momente. An diesem Nachmittag etwa fühlte sie sich hinreichend bei Kräften, um mit mir eine Partie Schach zu spielen.
Die silbernen Brokatvorhänge ihres Bettes waren zurückgezogen und mit vergoldeten Bändern zusammengebunden, und die Sonne, die durch die Wolken gebrochen war, fiel zum Fenster herein, das einen Spalt offen stand. Die Königin lag auf weiße Seidenkissen gestützt, die Arme steif neben sich ausgestreckt. Sie trug ein dunkles Nachthemd und hatte die graue Samtüberdecke mit den aufgestickten silbernen Rosen weit nach oben gezogen. Ich saß bei ihr und spielte Schach mit ihr auf dem Bett.
»Grün steht dir, Elizabeth ... Du machst den Raum heller ... mit deinem goldenen Haar und deiner Schönheit ... gleich einem Gobelin an einer grauen Steinmauer.«
»Schhh, meine Königin. Ihr seid am Zug.«
»Der Springer«, flüsterte Königin Anne.
Ich bewegte ihren Springer. »Ein sehr kluger Zug, Mylady. Dann sehen wir mal, wie ich mich retten kann.« Nachdenklich stützte ich mein Kinn in die Hand und betrachtete das Spielbrett.
Hinter mir waren Schritte zu hören, und im nächsten Moment erstrahlte das Gesicht der Königin. »Mein liebster Lord!«, rief sie und versuchte, sich aufzusetzen, wurde jedoch von einem
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