Elizabeth - Tochter der Rosen
Hustenanfall heimgesucht, der in einem entsetzlichen Würgen endete.
Ich sprang auf, griff nach einer Schale und hielt sie ihr an den Mund, als sie spuckte. Danach strich ich ihr über das schweißnasse Haar und half ihr, sich richtig hinzulegen. König Richardeilte an ihre Seite und nahm einer herbeilaufenden Dienerin ein feuchtes Handtuch ab. »Ich mach das«, sagte er streng. Er tupfte seiner Königin mit dem goldgesäumten Tuch die Lippen ab und zog eine Grimasse, als er das Blut sah. Dann nahm er einen Tonbecher, den ein Mönch ihm reichte. Die faulig riechende Flüssigkeit, dick wie Öl, schien ihn anzuwidern. »Was ist das?«
»Eine Tinktur aus bitterer Aloe, schwarzem Mohnsaft und Betonie, Sire. Sie ist gut gegen blutigen Husten, lindert den Schmerz und fördert einen heilsamen Schlaf.«
König Richard glitt mit einem Arm hinter die Schultern der Königin und stützte sie, während er ihr den Becher an die Lippen hielt. Sie war so schwach, dass sie kaum zu schlucken vermochte. Vieles von der abscheulichen Flüssigkeit rann ihr aus dem Mundwinkel. Schließlich schob sie den Becher weg, denn ein neuer Hustenanfall schüttelte sie. Der König reichte den Trank dem Mönch und wischte seiner Gemahlin behutsam den Mund.
»Ist es heute schlimm, meine Liebste?«, fragte er und setzte sich zu ihr auf das Bett.
Die Königin lehnte den Kopf an seine Schulter. Ich machte einen Knicks und ging, obwohl er gar nicht in meine Richtung blickte. Die Diener folgten, und die Countess, die als Letzte das Zimmer verließ, schloss die Eichentür hinter sich, um den beiden Ruhe zu gönnen.
Die Glockenschläge von der Abtei hallten über den Fluss und die Stadt. Ich erschauderte. Seit Weihnachten läuteten die Glocken immer häufiger für Königin Annes Gesundung. Als ich am Tisch im Vorzimmer vorbeikam, nahm ich das Buch auf, das ich mir aus König Richards Bibliothek geliehen hatte. Hiermit begab ich mich durch den langen Korridor zu einem Alkoven seitlich der kleinen Privatkapelle, wo ich allein war und mich auf die Fensterbank setzte. Wie bei allen Büchern desKönigs handelte es sich auch bei diesem um einen schlichten Lederband, frei von Juwelen oder sonstiger Zierde, denn König Richard wählte seine Bücher nicht zum Herzeigen, sondern zum Lesen. Ich blätterte bis zum Vorsatzblatt mit der Unterschrift und dem Motto des Königs. Seine Handschrift war klar, elegant und charakteristisch, ohne gekünstelt zu sein. Ich verharrte bei der Schrift und malte sie sacht mit der Fingerspitze nach: Loyaulte me Lie, Richard of Gloucester . In Treue verbunden.
Dann drehte ich den Band um. Es war Gottfried von Straßburgs Tristan . Ich schlug es dort auf, wo ich zuletzt gewesen war, und las:
Hinfort war Isoldes Hass, und keine Zwietracht sollte mehr zwischen ihnen sein. Denn die Liebe, der große Versöhner, hatte ihre Herzen von jeder Unbill gereinigt und sie vereint, auf dass sie einer der Spiegel des anderen sein sollten. Sie waren von einem Herzen: ihre Trauer sein Kummer, sein Kummer ihre Trauer. Beide waren eins in Liebe wie in Pein, und doch verbargen sie es voller Scham und Zweifel ... Herzen und Augen rangen miteinander; zog die Liebe ihr Herz zu ihm, trieb die Scham ihre Augen von ihm fort.
»Elizabeth?«
Ich sprang erschrocken auf, sodass mir das Buch vom Schoß fiel, und ich war außerstande, es aufzuheben.
»Verzeih, dass ich dich erschrak. Ich wollte dir lediglich für alles danken, was du für meine Königin tust«, sagte König Richard seltsam linkisch und unsicher.
Ich wurde rot. »Ich wünschte, ich könnte mehr tun, Sire.« Meine Gefühle drohten, mir die Fassung zu rauben, und ich senkte den Blick. »Ich habe gebetet, aber ...«
Weil ich spürte, dass er mich ansah, errötete ich noch mehr. Schließlich gelang es mir, zu ihm aufzublicken. Er betrachtetemich, als hätte er mich nie zuvor gesehen, und mir fiel auf, dass der Puls an seinem Hals bedenklich schnell flatterte.
»Du siehst wie meine Königin aus«, sagte er nach einer Weile. »Nicht wie deine Mutter.«
Wir beide schwiegen.
Das also war es: Er sah in mir eine Woodville, keine Plantagenet.
Steif stand er da, als wäre er außerstande oder nicht gewillt zu gehen. »Du hast Edwards Augen, blau wie der Sommerhimmel.« Mehr sagte er nicht, wandte aber auch den Blick nicht von meinem Gesicht.
»Mein Vater liebte Euch von Herzen«, flüsterte ich.
»Und ich ihn.« Seine Wangen färbten sich rötlich, und der Puls an seinem Hals schien noch
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