Elizabeth - Tochter der Rosen
ich, dass sie recht hat.«
»Wie bitte?«, hauchte meine Mutter. »Was wagst du undankbares Kind, mir vorzuhalten?«
Seufzend legte ich meine Flickarbeit ab. »Sie hat recht, Mutter. Erkennst du es nicht? Alles, was geschah, ist deinetwegen passiert. Der gute König Richard ist tot, Henry ist König, und ich bin hier gefangen. Dickon und Edward sind wer weiß wo, und nur Gott allein weiß, ob lebendig oder tot; und der kleine Warwick ist mutterseelenallein im Tower eingekerkert. Mein Onkel Anthony, auf dessen vernünftigen Rat du nie etwas gabst, ist tot und mit ihm mein Bruder Dick Grey. Und herbeigeführt wurde all dies durch deine Machenschaften. Dies hier ist dein Werk. Ich habe mich damit abgefunden. Am besten tust du es auch, Mutter.«
»Ich habe genug von dir und dieser fürchterlichen Frau!«,schrie meine Mutter. »Ich bin die Königswitwe! Ich muss mir das nicht bieten lassen, und ich werde es auch nicht!«
Eines Abends gerieten sie vor Henry aufs Neue in Streit.
»Was soll das heißen, es ist mir nicht gestattet, einen Wappenrock zu tragen?«, fragte meine Mutter scharf. »Ich bin die verwitwete Königin und darf anziehen, was ich will.«
»Mein Erlass ist eindeutig. Einzig ich als die Mutter des Königs darf einen Wappenrock oder sonstige Königinnengewänder tragen«, antwortete Margaret Beaufort.
Meine Mutter, die für eine Frau ungewöhnlich groß war, beinahe so groß wie viele Männer, stampfte auf Margaret Beaufort zu und sah verächtlich auf sie herab. Oft schon hatte ich bei Hunden von unterschiedlicher Größe beobachtet, wie sie einander auf ganz ähnliche Weise herausforderten. Und ich konnte nicht umhin, diesen Anblick komisch zu finden – so sehr, dass ich Mühe hatte, nicht laut loszulachen. Verstohlen sah ich zu Henry und stellte überrascht fest, dass es ihm nicht anders ging. Unsere Blicke begegneten sich, und wir tauschten heimlich ein Schmunzeln aus.
»Mir reicht es!«, rief meine Mutter aus. »Ich werde mich vom Hof zurückziehen und woanders leben.«
Ich sprang auf. Trotz all unserer Schwierigkeiten wollte ich nicht, dass meine Mutter fortging. »Aber Mutter, wo willst du hin?«
»Nach Cheneygate. Dort ist ein angemessenes Haus zu mieten. Du darfst mich besuchen kommen, Elizabeth, falls es dir gestattet wird, was ich bezweifle.«
»Mutter ...« Ich bekam schreckliche Angst. Doch sie neigte den Kopf in Henrys Richtung und verließ das Zimmer. Ein Knoten bildete sich in meinem Magen, und mir wurde übel. Meine Mutter würde meine Schwestern mitnehmen, und ich würde ganz allein zurückbleiben.
Während der nächsten Wochen behielt ich Margaret Beaufort im Auge. Ich konnte gut verstehen, warum sich Humphrey und Thomas mit Richard gegen die Tudors verbündet hatten. Denn Margaret Beaufort, ihre Verwandte, war hinreichend teuflisch, um einen tödlichen Hass in anderen zu schüren, insbesondere in jenen, das die Pech hatten, sie näher zu kennen.
Armer Humphrey, der in Tyburn so furchtbar leiden musste! Gütiger Gott!
Im Geiste sah ich ihn bei unserem letzten gemeinsamen Weihnachten vor mir. »Seht nur!«, sagte er grinsend. »Jemand hat sich am Marzipan gütlich getan ...«
~
Eines Tages, als meine Mutter zu Besuch war und Margaret von Henry fortgerufen wurde, vertraute ich ihr mein Elend an.
»Du kannst nur eines tun, um dein Los erträglicher zu machen: Sorg dafür, dass du das Sagen im Haushalt bekommst.«
»Mutter, verstehst du denn nicht? Wir sind Gefangene, du und ich. Du magst dich freier bewegen dürfen als ich, aber wir beide stehen unter ständiger Beobachtung der Tudor-Spione, und sie berichten ihnen alles, was wir sagen oder tun. Ich kann Henrys Mutter die Gewalt über den Haushalt nicht entziehen, weil ich keinerlei Einfluss auf ihn habe. Henry hasst das Haus York und traut niemandem außer seiner Mutter und Morton. Sie rieten ihm, mich in Ehrenhaft zu halten, indes strenger als die, die Henry in der Bretagne erfuhr, denn er konnte letztlich entkommen. Mir ist es nicht einmal erlaubt, Briefe zu schreiben, auch wenn ich ohnedies nicht wüsste, an wen ich schreiben könnte, denn alle, die mir teuer waren, sind tot.«
Meine Mutter sah mich freundlich an, und mir ging das Herz über.
»Du musst etwas gegen dieses schreckliche Weib tun«, sagte sie plötzlich.
»Schhh, Mutter. Sie hat ihre Spione überall.«
Meine Mutter wandte sich um und rief quer durch den großen Raum: »Tu etwas gegen dieses schreckliche Weib! Ja, das habe ich gesagt, ihr
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