Elizabeth - Tochter der Rosen
können. Anne wollte auch keine Königin sein, dachte ich. Als Ned gestorben war, hatte Richard an ihremBett gesessen und sie um Vergebung gebeten. Er hatte sich Vorwürfe gemacht, dass er entgegen Annes Flehen die Krone angenommen hatte, denn sie war es, die ihren Sohn schließlich das Leben gekostet hatte.
»Warum die Tränen?«, fragte meine Mutter sanft. »Was ist mit dir, Kind? Du bist Königin und weinst?«
Ich hatte nicht bemerkt, dass sie ins Zimmer gekommen war. Rasch wischte ich mir über die Augen. Erst jetzt fiel mir auf, dass sich Margaret Beaufort nicht im Raum aufhielt. »Ich wollte nie Königin sein«, antwortete ich. »Und ich liebe Tudor nicht, Mutter.«
Sie schwieg. »Glaubst du vielleicht, ich hätte deinen Vater geliebt?«, fragte sie dann.
Ich sah sie entgeistert an.
»Man heiratet, weil man Macht oder Reichtum will. Sie allein machen glücklich.«
»Mutter, du täuschst dich«, erwiderte ich schroff. »Du warst nie glücklich, obgleich du hattest, was du dir angeblich gewünscht hast. Nein, hab keine Angst! Ich werde meine Pflicht erfüllen und Tudor eine gute Königin sein, auch wenn ich es nicht um der Reichtümer, der Macht oder hübschen Kleider willen tue. Keines dieser Dinge bedeutet mir etwas. Ich tue es, damit du und meine Schwestern ein besseres Leben führen könnt.«
»Ach was!«, rief sie abfällig. »Du hast gut reden, dich über schöne Kleider, Juwelen und eine Krone zu mokieren, denn du hast nie erlebt, was Hungern heißt. Oder wie es sich anfühlt, wenn jemand mit nur einem Bruchteil deiner eigenen Schönheit in edler Robe an dir vorbeireitet und auf dich herabsieht. Du weißt nicht, was es heißt, verhöhnt und gehasst zu werden, ohne die Macht zu haben, sich zu wehren. Die Krone, die ich trug, gab mir die Chance, für Gerechtigkeit zu sorgen und michfür die Erniedrigungen zu rächen, die meine Familie erleiden musste. Du bist allein dank mir Prinzessin, bist Königin, weil ich Opfer brachte.«
»Dann ist es ein Opfer, kein Glück? Entscheide dich bitte, Mutter!«
Sie schnaubte verärgert und lief mit rauschenden Röcken hinaus.
In der herrschsüchtigen Margaret Beaufort allerdings hatte meine Mutter eine ebenbürtige Gegnerin gefunden. Henry Tudors Mutter war nicht minder willensstark als meine. Stets musste Margaret Beaufort das letzte Wort haben, was den Haushalt betraf, und geriet oft mit meiner Mutter aneinander. Bald wurden die einstigen Verbündeten zu Feindinnen.
»Kehr mir nicht den Rücken zu!«, fuhr meine Mutter sie nach einem besonders hitzigen Wortgefecht an.
»Deinesgleichen gegenüber kann ich tun und lassen, was ich will«, konterte Margaret Beaufort mit hochgezogenen Brauen.
»Meinesgleichen?«, wiederholte meine Mutter ungläubig. »Wag es ja nicht, anmaßend zu werden! Ich bin Königin, und meine Tochter ist Königin. Du bist keine, woran auch dein Margaret R. unter jedem Schriftstück nichts ändert! Es beweist lediglich, wie närrisch du bist, dich für königlich zu halten.«
»Wenn du mit mir darüber streiten willst, wer königlich ist und wer nicht, dann kann ich nur sagen, du, Madame, hast das Königreich für deine Söhne verloren. Ich hingegen habe es mittels Klugheit und Beharrlichkeit für meinen Sohn gewonnen. Mein Henry ist König, und ich besitze als seine Mutter große Macht. Durch deine unersättliche Gier und Skrupellosigkeit hast du deiner Familie zum Aufstieg verholfen, aber zu welchem Preis? Mit deiner Skrupellosigkeit hast du in diesem Land großen Hass auf dich und sie gezogen – und diese Verachtung hat nach König Edwards Tod den Untergang deines Bruders und deiner drei Söhne sowie den Fall des Hauses York herbeigeführt. Muss ich dich daran erinnern, dass du deinen Titel, deine Ländereien, all deinen jetzigen Besitz einzig unserer Gnade verdankst? Sei auf der Hut, denn wir können dir all das ebenso leicht wieder nehmen!«
Weil sie so zierlich war, musste sie zu meiner Mutter aufschauen, was sie allerdings mit größtmöglicher Überlegenheit tat. »Du kannst nur dir allein die Schuld geben, dass ihr das Königreich verloren habt.« Mit diesen Worten rauschte sie hinaus. An der Tür drehte sie sich noch einmal um. »Nicht ich bin hier die Närrin.«
Nachdem sie gegangen war, starrte meine Mutter mich an. »Was jetzt, willst du ruhig dasitzen und zugucken, wie ich beleidigt werde? Hast du nichts zu sagen?«
»Was sollte ich denn deiner Ansicht nach sagen, Mutter?«
»Irgendetwas! Egal, was!«
»Dann sage
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