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Elizabeth - Tochter der Rosen

Elizabeth - Tochter der Rosen

Titel: Elizabeth - Tochter der Rosen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandra Worth
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darauf, dass ich ihn nach dem von ihr festgelegten Plan aufsuchte. Ich träumte sogar, dass sie mir dorthin folgte und sich zählend über mich beugte: ein Wisch, zwei Wische, drei Wische   ...
    Sie zwang mich, zu essen und zu trinken, und zählte meine Kaubewegungen mit. »Um des Kindes willen«, erklärte sie. »Wir wollen nicht, dass du dich verschluckst und erstickst oder etwas zu Großes schluckst, das ihn verletzen könnte.« Ihn!
    Für sie und ihren Sohn war Macht das Lebenselixier schlechthin. Und sie achtete darauf, dass ich in strenger Gefangenschaft lebte. Ich musste um Erlaubnis bitten, wenn ich in die Kapelle oder die Bibliothek wollte, und sie begleitete mich dorthin. Gestattete sie mir, im Garten spazieren zu gehen, saß sie auf einer Bank in der Nähe und beobachtete mich mit Argusaugen. Den Grund verstand ich sehr wohl. Obgleich ich nicht gekrönt war, ruhte Henry Tudors Machtanspruch auf meinem Thronrechtals Königstochter, und nun war ich im Begriff, ihm eine Dynastie zu gebären. Bei jedem Blick, den mir Henry Tudor oder seine Mutter zuwarfen, blitzte Angst in ihren Augen   – Angst, dass mir etwas zustoßen könnte, bevor ich das Kind geboren hatte, und Angst davor, dass man mich aus ihren Klauen befreien könnte. Deshalb hielt Margaret Beaufort mich unter Verschluss. Keiner durfte mir ohne ihre Zustimmung einen Besuch abstatten, wie ich niemanden besuchen durfte, ohne dass sie es erlaubte. Weder wurden meine Nachrichten an die Adressaten überbracht, noch bekam ich die, die man mir schickte. Ich sehnte mich danach, von meiner Großmutter Cecily zu hören, doch jeder Kontakt zu meiner Yorkisten-Vergangenheit war mir untersagt. Derweil begriff ich etwas Seltsames: Die Tränen, die Margaret Beaufort bisweilen vor Freude vergoss, waren zugleich Tränen der Furcht, dass sich das Blatt wenden könnte. Zwar mochte ich ihre Gefangene sein, sie selbst jedoch war in ihrer Angst gefangen.
    Ich verbrachte viel Zeit mit Beten; ich flehte Gott um die Kraft an, mein Los zu ertragen. Und ich las das Buch, das ich aus Richards Bibliothek mitgenommen hatte, Boethius’ De Consolatione . Unterdes war meine Schwester Cecily immerzu wütend und beklagte sich. »Was erwartest du eigentlich, dass ich tue?«, fragte ich sie.
    »Du sollst dafür sorgen, dass meine Ehe mit Scrope annulliert wird. Ich will nicht zurück in dieses scheußliche Yorkshire. Ich will hier am Hof bleiben, wo es Tanz und Spaß gibt. Ich hasse den Norden!«
    »Ich kann dir ein Kleid geben, Cecily, doch nichts sonst. Siehst du denn nicht, wie machtlos ich bin?«
    »Na schön, wenn du es nicht kannst, weiß ich, wer es schafft!«, schrie sie, machte auf dem Absatz kehrt und eilte zu Margaret Beaufort. Sie küsste die übellaunige Frau auf die Wange undmurmelte ihr etwas zu. Ich bemerkte, wie die strengen Züge unter Cecilys Schmeicheleien weicher wurden. Meine Schwester grinste mir triumphierend zu. Wie ähnlich sie meiner Mutter war und wie erstaunlich, dass die Beaufort gerade das an ihr so gern mochte!
    Von nun an war Cecily ständig an Margaret Beauforts Seite, lachte mit ihr und war besonders fröhlich. Sie gingen Arm in Arm und gaben recht befremdliche Verbündete ab. Natürlich wurde Cecilys Wunsch erfüllt und ihre Ehe mit Scrope unter einem willkürlichen Vorwand annulliert. Danach heiratete sie Margaret Beauforts Bruder John, Viscount Welles. Gewiss war er reich genug und besaß einen Titel, doch traf das auch auf viele Männer zu, die halb so alt waren wie er. Ich verstand nicht, warum Cecily sich für ihn entschieden hatte.
    In diesen Tagen war meine Mutter meine willkommenste Besucherin.
    »Du strahlst ja so, Mutter! Komm, setz dich zu mir und erzähle mir, was Schönes geschehen ist!« Ich raffte meine Röcke, um ihr auf der Gartenbank Platz zu machen, auf der ich saß. Margaret Beaufort war gerade damit beschäftigt, den Gärtner zu schelten, weil er ein Unkrautbüschel übersehen hatte.
    »Nun ja, König Henry behält meine Londoner Residenz Cold Harbour, hat mir jedoch lebenslange Herrschaft über Waltham, Badowe, Magna, Masshebury, Dunmore, Lieghes und Farnham zugesprochen«, berichtete sie lächelnd, »und einhundertzwei Pfund Erbpacht jährlich von der Stadt Bristol!«
    »Demnach hast du fürwahr Grund zu lächeln«, sagte ich, auch wenn es mich schmerzte, dass wir so wenig gemein hatten.
    Eines trüben Morgens begann ich beim Anblick des Regens draußen zu weinen. Ich weinte um Richard, um Anne und um alles, was hätte sein

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