Elizabeth - Tochter der Rosen
früher. Für solch einen Sohn kam nur ein Name in Betracht: Arthur. Nach dem großen König Artus. Entschlossen, der Unterdrückung ein Ende zu setzen, hatte Richard es mit dem legendären Artus gehalten und verlangt, dass Justitia blind sei und seine Gesetze ungeachtet von Rang und Namen galten. Henry hatte Richards Gesetze aufgehoben, aber sein Sohn – mein Arthur – würde den Engländern Richards Traum zurückgeben.
Ich strich über Richards Boethius-Buch. Gott hatte ihn aus dieser brutalen Welt befreit und mit all jenen wiedervereint, die ihn hier auf Erden geliebt hatten: Anne, Ned, die Nevilles, seine Tochter Cat. Ich versuchte, sie mir im Himmel vorzustellen, umgeben von goldenen Wolken der Freude, wie sie gemeinsam lachten und den himmlischen Freudenchorälen der Engel lauschten.
Falls wir einen Sohn bekommen, bringe ich Henry dazu, ihn Arthur zu nennen, dachte ich. Er war in Bristol, wollte jedoch bald nach Sheen zurückkehren und hatte uns geschrieben, dass wir ihn dort treffen sollten.
»Es ist Zeit, ein Fest abzuhalten«, verkündete er bei seiner Ankunft. »Der Aufstand wurde niedergeschlagen, und die Leute von Hereford, Gloucester und Bristol jubelten mir zu, als ich durch ihre Städte kam. Die Armut in Bristol indes bereitet mir Sorge. Ich habe versprochen, dieses Leid zu mildern, indem ich die stillgelegten Werften dort wieder arbeiten lasse.«
Seine Worte wärmten mir das Herz, bedeuteten sie doch, dass er sein Volk mochte. Bisher war ich dessen nicht gewahr geworden, und es schenkte mir Hoffnung für die Zukunft.
Henrys Blick fiel auf meinen Bauch. »Vielleicht ein Sohn, was, Elizabeth?«
Ich neigte den Kopf und lächelte ihm zu.
~
Während das Kind in mir heranwuchs, wurde Margaret Beaufort zusehends unausstehlicher. Mir blieb nur, ihre Nähe zu erdulden und zu beten, sie möge eines Tages zu ihren eigenen Ländereien und ihrem Gemahl, Thomas Stanley, reisen. Leider wurden meine Gebete nicht erhört. Sie blieb dicht an meiner Seite, folgte mir auf Schritt und Tritt. Ich blickte verstohlen von meiner Stickerei zu meiner Schwiegermutter auf, die ihrem Schreiber die Regeln für das Herrichten des Königsbettes diktierte. Der Schreiber las sie vor, damit sie sich vergewissern konnte, dass er alles richtig mitgeschrieben hatte.
»Das Herrichten des Königsbettes. Regel Nummer eins: Überprüfen der Matratze.«
Er sah zu Margaret Beaufort, und sie nickte.
»Beim Herrichten des königlichen Bettes ist die Regel, die Matratze zu prüfen. Dies geschieht wie folgt: Ein Knappe soll auf das Bett springen und sich über die Matratze rollen, um nach möglichen Beulen oder durchgelegenen Stellen zu suchen. Finden sich solche, ist d ie Matratze umgehend zu wechseln und auszubessern. Anschließend wird die Matratze aufbewahrt, bis man sie braucht.«
Wieder sah er zu ihr, und auch diesmal nickte sie.
»Regel Nummer zwei betreffs der königlichen Kissen«, fuhr er fort. »Den Knappen ist befohlen, die königlichen Kissen nach draußen zu bringen und kräftig mit den Händen auszuklopfen. Nachdem sie nicht länger als zehn Minuten, aber auch nicht kürzer als ...«
Ich schloss die Augen. Am liebsten würde ich schreien. Mit ihren Regeln trieb sie jeden in den Wahnsinn und sorgte durch ihre kleinlichen »Erlasse« für eine beklemmende Stimmung am gesamten Hof. Vom Kartoffelschälen bis zum Kissenaufschlagen hatte sie Regeln für alles. Es gab Regeln dafür, wann und wie zu trauern war, wann man sich ins Schlafgemach zurückziehen durfte, wann man trinken durfte oder wann man den Abort aufsuchte.
»Nach dem Ausschlagen sind die Kissen den Leibdienern des Königs zu übergeben« , las der Schreiber, »welche sie auf die vom König bevorzugte Weise auf das Bett legen. Das Bett der Königin ist ausschließlich von Hofdamen herzurichten, und zwar auf die gleiche Weise wie das des Königs. Regel Nummer eins ...«
Ich konnte Henrys Ergebenheit seiner Mutter gegenüber verstehen, weil er ihr seine Krone verdankte, aber diese Frau war eine Plage für jedermann, ausgenommen höchstens die Gelehrten und Universitäten, denen sie Geld stiftete. Die Macht war ihr zu Kopfe gestiegen. Ihre Trauerkleidung und der Psalter gehörten der Vergangenheit an, doch das war noch längst nicht alles: Ihre Kleider waren nun auch möglichst exakte Nachbildungen der meinen, und sie schwang mein Zepter, als gäbe es mich gar nicht.
Ich bemerkte, dass Margaret Beaufort beim Diktieren der Regeln für das Kinderzimmer
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