Elizabeth - Tochter der Rosen
Stimme vor. Am Fest von St. George, dem dreiundzwanzigsten April, war Henry auf seinem Weg zu den Messen, Gebeten und Banketten nur knapp einer Entführung durch Francis Lovell, Humphrey Stafford und dessen Bruder Thomas entkommen.
Mir stockte der Atem, und ich errötete vor Angst, mich zu verraten. Aber Margaret Beaufort glaubte anscheinend, meineSorge galt ihrem Sohn. Sie machte eine Pause, ehe sie zitternd weiterlas.
»Sie hatten eine Armee zusammengestellt« , schrieb Henry Tudor, »doch ich schickte meinen Onkel Jasper, den erfahrenen Kämpfer, ihren Aufstand niederzuschlagen. Er bot jedem Mann, der sich von Lovell abwandte, königliche Amnestie an, und am Ende waren es so viele, dass Lovell und die Staffords zur Flucht gezwungen waren. Lovell konnte nach Burgund entkommen, zu Richards Schwester Margaret, Herzogin von Burgund. Die Stafford-Brüder suchten in einem Kloster Zuflucht. Nachdem ich einige Worte mit dem Abt gewechselt hatte, durften meine Männer hinein und sie ergreifen. Sie sind verurteilt, in Tyburn zu hängen und ...«
Mir gefror das Blut in den Adern. Margaret Beaufort las weiter, doch ich hörte ihre Worte nicht mehr.
Tyburn ...
Heilige Jungfrau Maria, allmächtiger Gott, nein, nicht Tyburn! Dort weidete man Männer bei lebendigem Leibe aus ...
Oh, Thomas!
Bis zu Henrys Rückkehr schlief ich nicht. Den Tag über konnte ich nicht mit ihm reden, weil seine Mutter ständig um uns war. Nun, da ich guter Hoffnung war, fürchtete ich, dass er nicht in mein Schlafgemach kommen würde. Deshalb war ich überglücklich, als er es doch tat. Ich nahm ihn beim Arm und führte ihn zum Feuer, denn es war eine kalte Nacht. Dort setzte ich ihn auf einen Samtsessel und gab ihm Wein sowie seine Lieblingsspeise, Schnecken mit Knoblauch nach französischer Art. Nach dem Essen lehnte er sich zufrieden zurück, und nun kniete ich mich vor ihn.
»Was ist?«, fragte Henry Tudor verwundert.
»Sire, ich knie als Bittstellerin vor dir, denn ich möchte dich um einen Gefallen bitten.«
»Welchen?« Er wurde sogleich misstrauisch, wie ich an seinem Ton erkannte.
»Es ist eine große Bitte, handelt sie doch von Leben und Tod.«
»Sprich, Königin!«, befahl er kühl.
Ich blickte zu ihm auf. »Ich bitte um das Leben Sir Humphrey Staffords und um das seines Bruders Sir Thomas Stafford.«
Henry Tudor sprang auf. »Niemals!«, rief er und zog eine solch zornige Miene, dass ich zurückschrak. »Hast du eine Ahnung, wie knapp ich einer Ermordung durch sie entkam? Um Haaresbreite! Einzig Gottes Gnade verdanke ich, dass ich lebend zurückgekehrt bin. Und du bittest mich um ihr Leben?« Er sah mich voller Abscheu an.
»Sire, Sir Thomas Stafford war mein Bewacher im Kloster. Er war freundlich zu ... uns.« Ich konnte kein Nein von ihm hinnehmen. Mit Tränen in den Augen fuhr ich fort: »Mylord, ich danke Gott, dass du wohlauf bist, denn ich trage dein Kind unter meinem Herzen. Aber ich muss dich bitten, sie leben zu lassen, weil es die Ehre verlangt.« Ich sah, wie sein Zorn schwand, und redete schnell weiter. »Jeder kann ein Leben nehmen, doch nur die wahrhaft Großen können es geben. Es würde beweisen, dass du ein gnädiger König bist, und dich bei deinem Volk beliebt machen. Ich flehe dich um Gnade für Thomas und für Humphrey an.«
Nun senkte ich den Kopf wieder und wartete. Erhöre mich, allmächtiger Gott! Hilf mir! Hilf Thomas!, flehte ich voller Inbrunst.
Schließlich entgegnete Henry eisig: »Einer von ihnen muss sterben. Du darfst wählen.«
~
Die Nachricht von Humphreys schrecklichem Tod traf mich tief. Ich gab Unwohlsein vor und legte mich in mein Bett. Dort hielt ich Thomas’ Brosche fest umklammert, während ich mir schwere Vorwürfe machte, dass ich nicht beide Brüder hatte retten können. Wieder einmal hatte sich das brutale, rachsüchtige Naturell meines Gemahls gezeigt. Er hatte entsetzliche Angst bekommen, als Richard ihn fast getötet hatte. Und da er an ihm keine Rache mehr hatte nehmen können, hatte er seine Wut an Richards Leichnam ausgelassen, indem er ihn verstümmelte, ihm einen Schandkragen umlegte und ihn vor Grey Friars abwarf, damit er ein Armenbegräbnis bekam.
Wann immer ich das Klicken des Türriegels hörte, drehte ich mich weg und gab vor zu schlafen. Natürlich war es jedes Mal Margaret Beaufort. Die Frau war unausstehlich. Nie wich sie mir von der Seite, und ohne Unterlass quälte sie mich mit ihren Fragen, warum ich noch nicht auf dem Abort war. Sie bestand
Weitere Kostenlose Bücher