Elke, der Schlingel
hervorgerufen.
Irgend jemand hatte ihn vielleicht
geneckt oder gezwickt oder sonst irgend etwas getan, was ihm mißfiel, Elke hatte
das nicht gesehen, jedenfalls erhob er plötzlich ein mordsmörderisches Gebell.
Auf dieses Gebell hin liefen ein paar erschrockene Kinder davon, und Ali lief
ihnen nach und bellte dabei immer noch fürchterlich. Wo ein paar Kinder laufen,
laufen bald viele, und wenn sie auch nur zum Spaß mitlaufen. Es gab eine wilde
Jagt durch die Schule, treppauf, treppab, die langen Flure hinauf und hinunter,
und die Lehrerinnen waren machtlos. Einige Kinder lachten, einige weinten,
andere stießen aufgeregt mit den Füßen nach Ali, wohl weil sie der Meinung
waren, ein höchst gefährliches Tier vor sich zu haben, und zu allem sagte
natürlich der Hund in seiner Hundesprache mit der ganzen Kraft seiner Lunge
das, was er zu sagen für richtig hielt.
Der kleine, dicke Herr Direktor kam
jetzt aus seinem Zimmer heraus, um festzustellen, was los war.
„Du lieber Himmel!“ lachte er. „Vor
Elke Tadsens kleinem Ali nehmt ihr Reißaus? Seid ihr aber Helden!“
Auch Elke waren die Ereignisse über
den Kopf gewachsen. Sie lief mit kläglichem Gesicht von einem Flur zum andern
hinter ihrem Hund her, und ihr Rufen und Pfeifen ging unter in dem allgemeinen
Lärm.
Aber, Gott sei Dank! Jetzt wollte Ali
sich scheinbar auch mal verpusten. Vor dem offenen Zimmer des Direktors legte
er sich japsend nieder.
Der Direktor sah das und kam heran:
„Da ist ja der Sünder!“ sagte er. „Na, du kleiner Ali!“ Er beugte sich dann zu
dem Hund herab. Aber der mißverstand die Anrede oder wollte sie mißverstehen.
Mit lautem Gebell fuhr er auf, und es war ihm ganz einerlei, daß er den
Obergewaltigen der Schule vor sich hatte. Er bellte und schimpfte, als wenn er
allein auf Gottes Erdboden was zu sagen hätte.
„Na, sei brav! Laß mich in mein
Zimmer!“ redete der Direktor ihm begütigend zu. Aber Ali dachte nicht daran,
sich beruhigen zu lassen. Er dachte auch nicht daran, seinen Platz vor der
Schwelle des Zimmers zu räumen. Er knurrte und zeigte die Zähne, als der
Direktor Miene machte, ihn gewaltsam zu verdrängen.
Elke stand da und schämte sich über
ihren von allen guten Geistern verlassenen Hund. Was sollte sie bloß machen?
Da begann plötzlich die große
Schulglocke schrill und anhaltend zu läuten, und Ali kriegte von dem ihm
unbekannten, entsetzlichen Geräusch einen heillosen Schrecken. Er kniff
ängstlich den Schwanz ein und preßte die Ohren an den Kopf. Da besann er sich
auf Elke. Elke war seine Herrin, er gehörte zu ihr, sie würde ihn beschützen!
Er schlich in großer Bescheidenheit auf sie zu, und im selben Augenblick dann,
wo Elke sich zu ihm herunterbeugte, sprang er ihr in die Arme.
„Du bist ein schlechter Hund!“ sagte
Elke, weil es richtig war, etwas Strafendes zu sagen, aber ihre Augen glänzten
schon wieder vor Stolz und Liebe. Eigentlich war es doch großartig gewesen, wie
Ali die halbe Schule zu Paaren getrieben hatte und sogar den Herrn Direktor
nicht in sein Zimmer hineingelassen hatte!
Dann brachte sie Ali nach Hause.
Eigentlich sollte er ja jetzt mit aufführen, aber nein, ihn nun noch weiter in
der Schule zu lassen, dazu hatte Elke nicht den Mut. Außerdem — Strafe mußte
sein: Ali konnte jetzt in der Stube sitzen und sich langweilen, das schadete
ihm gar nichts!
Als sie zu Hause ankam, war Onkel
Bernhard überraschend von seiner Reise nach Schweden zurückgekehrt. Er war
sechs Wodien in Gotenburg gewesen und hatte dort gemalt, dann war er noch
einige Tage bei Freunden auf einem Landsitz im Holsteinischen gewesen, er hatte
Elke also über sieben Wochen nicht gesehen.
„Was ist mit Elke, geht es ihr nicht
gut?“ fragte er seine Schwester, nachdem Elke ihren Hund zu Hause abgeliefert
hatte und wieder zurück in die Schule gegangen war.
„Wie meinst du das? Was soll mit dem
Kind sein?“ fragte Elkes Mutter zurück.
„Ich habe Elke längere Zeit nicht
gesehen — es fällt mir auf, daß sie nicht so wohl aussieht, wie sie das sonst
immer tat“, erwiderte der Onkel. „Sie ist, glaube ich, auch wieder gewachsen.“
„Ja, gewachsen ist sie“, gab die
Mutter zu.
„Elke ist viel zu schmal für ihre
Größe“, erklärte der Bruder.
„Das hat Anke auch schon gesagt.
Meinst du, daß wir Elke einmal vom Arzt untersuchen lassen sollen?“
„Ich würde unbedingt dazu raten!“
erwiderte der Onkel.
Es war keine sehr schöne Überraschung
für Elke, als sie nach
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