Elke, der Schlingel
fortgegangen, und zwar ohne
den Onkel Bernhard. Der war frühmorgens an die Elbe gefahren, um dort zu malen,
hatte auch versprochen, rechtzeitig wieder zu Hause zu sein, aber man kannte
das: überm Malen vergaß er die Zeit. Vielleicht war er auch schon gleich zu
Tante Lisbeth gegangen.
Fränzi hütete allein die Tadsensche
Wohnung, denn das Mädchen Anna hatte heute Ausgang. Als Elkes Onkel eine halbe
Stunde nach dem Fortgehen der Familie dann doch eintraf, um sich umzuziehen,
fand er Fränzi in großer Aufregung vor. „O nein, was hab’ ich bloß für’n
Schreck gekriegt!“ berichtete sie. „Ich geh’ in den Keller und will da ein paar
leere Flaschen wegstellen, da seh’ ich plötzlich, wie sich vor dem Fenster was
bewegt. Etwas ganz Unheimliches, Dunkles ist da zugange. Es ist bestimmt ein
Einbrecher, den ich da gerade überrascht hab’! Ich mach’ vor Angst die Augen
zu. Als ich wieder zu gucken wag’, ist der Kerl weg, und das Fenster ist auch,
Gott sei Dank, heil geblieben. Wenn der Mensch nun eingestiegen wäre und dann
auf den Einfall gekommen wäre, die Treppe zu unserer Wohnung ‘raufzugehen! Ich
glaube, ich wäre vor Angst gestorben!“
„Das wäre schade um Sie gewesen“,
meint Herr Zeißler trocken. Und fügt hinzu: „Im übrigen ist wohl anzunehmen,
daß es sich um eine Katze gehandelt hat, die in dem Buschwerk vor dem
Kellerfenster herumgekrochen ist..“
„Eine Katze? So große Katzen gibt es
nicht. Nein, es ist bestimmt ein Mann gewesen!“ erhebt Fränzi Einspruch. „Ich
hab’ ja an allen Gliedern gezittert, wie ich das Schwarze huschen sah. Vor
einer Katze hätte ich nicht so gezittert.“
Der Maler erwidert nichts mehr,
sondern lächelt nur. Dann geht er nach draußen, um nachzusehen, ob vor dem
Kellerfenster Fußspuren zu sehen sind. Nichts Verdächtiges ist festzustellen,
aber es ist ja ziemlich windig heute! Wahrscheinlich hat eine plötzliche Bö den
vor dem Kellerfenster stehenden Mahonienbusch hin und hei geschüttelt. Aber
wenn er Fränzi das sagt, wird sie es ihm sicher nicht glauben, es hieße für sie
ein interessantes kleines Abenteuer preisgeben.
Plötzlich kommt Herrn Zeißler ein
Gedanke. „Aha! Das ist ja großartig. Fränzi kann helfen, daß Elke ihren
geliebten Ali bekommt!“
Wenige Augenblicke später sitzen die
beiden zusammen in der Küche und trinken Kaffee. „Fränzi, Sie müssen mir dabei
helfen, daß Elke einen Hund kriegt.“
„Einen Hund? Wenn ein Hund ins Haus
kommt, beißt er Minimax womöglich tot“, hat Fränzi einzuwenden.
Der Maler schüttelt den Kopf. „Dazu
wird er keine Gelegenheit haben. Minimax ist eine Feldmaus und geht sowieso aus
dem Haus, wenn das Frühjahr kommt.“
„Bestimmt?“
„Ganz bestimmt.“
„Dann ginge es ja, wenn Elke einen
Hund kriegte. Am liebsten den Ali! Ich war bei der Aufführung doch auch mit
dabei. Wie der Ali die Wurst aufgefressen hat, die er den Zwergen bringen
sollte, das war doch einfach großartig!“
„Elke hält viel von Ali, es wäre
schön, wenn sie ihn bekommen könnte. Aber die Sache ist ja die — — — “
„Ich weiß schon!“ unterbricht Fränzi
den Maler. „Frau Tadsen will keinen Hund.“
„Vielleicht können Sie jetzt helfen,
Fränzi. Sie brauchen dazu nur ganz fest überzeugt zu bleiben, daß sich am
Kellerfenster ein Mann zu schaffen gemacht hat, der wahrscheinlich stehlen
wollte.“
„Das glaube ich, und wenn ich hundert
Jahre alt werde!“
„Dann ist alles in Ordnung!“ Der Maler
lächelt. Ihm sitzt der Schalk in den Augen.
„Ach so — ich verstehe!“ sagt Fränzi.
„Frau Tadsen wird lieber einen Hund als einen Einbrecher im Hause haben wollen,
denken Sie!“
Bernhard Zeißler lobt das helle Mädel.
„Gut geraten!“
Etwa drei Viertelstunden später traf
der langerwartete Onkel Bernhard bei Tante Lisbeth ein und erzählte gleich als
erstes von Fränzis Kellererlebnis. Auf Frau Tadsen übte der Bericht die Wirkung
aus, die ihr Bruder erhofft hatte.
„Das ist ja furchtbar — nun fangen sie
auch schon bei uns an!“ klagte Elkes Mutter. „Vorige Woche sollen in dem weißen
Häuserblock gegenüber große Bodendiebstähle vorgekommen sein!“ Herr Tadsen ging
ins Nebenzimmer, um bei Fränzi anzurufen. Als er zurückkam, sagte er: „Fränzi
bleibt dabei, daß ein Mann sich am Fenster zu schaffen gemacht hat. Sie sprach
noch ziemlich aufgeregt.“
„Wir müssen sofort die Polizei
verständigen“, erklärte die Mutter. Der Vater hob die Schultern.
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