Elke und ihr Garten
von
Hunden, sonst war alles still. Das von dem Boot durchschnittene Wasser gluckste
leise. Es .wurde dunkler.
„Für morgen kaufen wir bunte
Papierlaternen und hängen die rundherum ums Boot!“
Es war Gisela, die diesen Vorschlag
machte, und Achim, der selbst etwas Ähnliches gedacht hatte, setzte
auseinander, wie die Laternen am besten anzubringen seien. Elke dachte bei
sich, daß es auch sehr schön sei, ganz im Dunkeln dahinzugleiten, nichts zu
sehen und nur zu träumen. Aber Doktor Falkner stimmte Giselas und Achims Plan
erfreut zu und begann zu erzählen von schönen Fahrten in lampiongeschmückten
Booten über den Genfer See. Auch von herrlichen Abenden in den hübschen
Uferortschaften des Sees berichtete er, und da er mancherlei Lustiges erlebt
hatte, waren alle bald in vergnügtester Stimmung. Nur Elke nicht. Elke lachte
eigentlich nur mit, weil die andern lachten. Unten am Genfer See ist es
natürlich viel schöner als bei uns hier in Norddeutschland! dachte sie, töricht
genug.
Am nächsten Tage kehrten Herr und Frau
Tadsen von ihrer Reise nach Zürich wieder zurück, und sie begrüßten den
inzwischen eingetroffenen Gast mit großer Herzlichkeit. Der junge Arzt gefiel ihnen
beiden sehr, und für seine Arbeit in der „Sonnenklinik“ des berühmten Schweizer
Professors interessierten sie sich außerordentlich. War doch auch ihre Tochter
Anke so begeistert für alles, was frische Luft und Sonne hieß. Ja, bei Anke
würde Doktor Falkner sicher größte Anteilnahme finden für alles, was ihn
beruflich beschäftigte. Die Mutter rief bei Anke im Krankenhaus an, und die
Tochter versprach, so bald wie möglich nach Hemmelwarde herauszukommen,
wahrscheinlich werde sie es möglich machen können, sich schon für morgen abend Urlaub zu verschaffen.
„Anke kommt sicher heute abend schon!“
sagte Elke. Sie hatte ihrer ältesten Schwester schon immer viel von Doktor
Falkner erzählen müssen. Anke hatte jedesmal auch die Briefe lesen wollen, die
Falkner ihr geschrieben hatte. Es war ganz klar, daß Anke sich bemühen würde,
gleich heute abend Urlaub zu bekommen!
Aber bis heute abend war, Gott sei Dank, noch eine ganze Weile hin. Jetzt war Nachmittag, und Doktor
Falkner hatte vorgeschlagen, einen Spaziergang nach dem Buchenwald zu machen,
hinter dem gestern abend der Himmel so wunderschön rot
geleuchtet hatte. Ob Elke und Achim ihn begleiten möchten, hatte er gefragt.
Elkes Eltern schlossen sich auch an,
und es wurde ein prachtvoller Spaziergang. Der Gast aus Tirol kannte so weit
ausgedehnten Buchenwald, der sich Stunde um Stunde hinzieht, noch nicht, und er
war deshalb ganz begeistert von der Schönheit der hochaufragenden, silbergrauen
Buchenstämme, die ihre vollen grünen Kronen wie die Wölbungen edler Dome
trugen. Und wie eigenartig goldengrün sich hier überall das Licht verfing! Wie
wundervoll mattblau auch die feuchte Luft schimmerte!
Elke freute sich sehr, daß ihre Heimat
so schön war. Es war gestern abend wirklich dumm von
ihr gewesen, zu glauben, daß hier in der Ebene alles viel weniger hübsch sei
als anderswo.
Als Ulf und Gisela abends mit dem Auto
aus Hamburg zurückkehrten, brachten sie tatsächlich Anke mit.
Doktor Falkner hätte jetzt auch so
gewußt, daß Elkes Schwester ihm gegenüberstand. Anke und Elke waren sich wie
aus dem Gesicht geschnitten, fand er. Sie hatten dieselbe rosig blonde Haut,
dieselbe hohe, gewölbte Stirn, das gleiche mattblonde Haar — Elkes war
höchstens einen Schein heller. Auch der Mund war bei beiden der gleiche,
schmallippig und ziemlich groß, und die Augen — doch nein, die Augen glichen
sich nicht, obgleich sie beide blau waren. Elkes Augen konnten bei aller ihrer
Klarheit so seltsam wie von weither blicken, während ihre Schwester eigentlich
nur kluge Augen hatte.
Aber dann dachte Falkner daran, daß
Elke ja auch noch ein halbes Kind sei, und daß er, wenn er ihre Schwester näher
kennenlerne, sicher auch deren Augen wärmer finden werde.
Es wurde, wie die Eltern vermutet
hatten: Anke konnte nicht genug hören über Doktor Falkners Berufsarbeit bei dem
berühmten Schweizer Professor, und sie ließ sich ganz genau erzählen, wie und
mit welchem Erfolg einzelne Krankheiten behandelt wurden. Die Unterhaltung war
von lateinischen Fachausdrücken durchsetzt, und Elke, die einen Teil mit
anhörte, verstand nicht viel von dem, was gesprochen wurde. Das aber faßte sie
doch auf: Viele Krankheiten, die früher als hoffnungslos angesehen worden
waren,
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