Elke und ihr Garten
stieg Elke zu
Achim ins Boot. Er hatte es mit bunten Papierlaternen geschmückt.
„Na, haben sie dich los sein wollen?“
fragte der Junge.
„Was heißt los sein?“ gab Elke zur
Antwort.
„Genau das, was es immer heißt, wenn
zwei finden, daß der Dritte überflüssig ist!“
„Was du nicht alles weißt!“
„Na, hör mal!“ wandte Achim ein. „Das
ist doch ganz klar, daß Anke und Doktor Falkner tadellos zueinander passen. Sie
sind beide fast gleich alt, beide gleich groß, sind beide Ärzte —.“
„Ich werde mich sehr freuen, wenn
meine Schwester einmal so einen netten Mann wie den Doktor Falkner kriegt“,
fiel Elke ihm ins Wort.
Aber Achim gab sich noch nicht
zufrieden: „Doktor Falkner will morgen mit Anke in die Stadt fahren und sich
dort ihr Krankenhaus ansehen“, erzählte er jetzt.
„Woher weißt du das?“
„Weil sie das verabredet haben, als du
fort warst, um die Fenster in deinem Tirolerhäuschen zuzumachen, gleich nach
dem Abendessen“, gab Achim genaue Auskunft.
„Das ist doch ganz klar, daß wir
jemand, der bei uns zu Besuch ist, alles zeigen, was er gern sehen möchte!“
antwortete Elke.
Doktor Falkner begleitete Anke am
nächsten Morgen wirklich nach Hamburg. Sie fuhren mit in dem Auto, das Herrn
Tadsen und Ulf ins Geschäft brachte. Anke hatte sich viel eleganter angezogen,
als sie das sonst zu tun pflegte, wenn sie in den Dienst fuhr, denn es war
verabredet worden, daß Doktor Falkner sie abends aus dem Krankenhaus abholen
sollte. Sie wollten dann zusammen mit den Eltern und Ulf das Uhlenhorster
Fährhaus besuchen. Gisela hatte gesagt, sie hätte zu arbeiten. Und daß Elke
mitkommen sollte, davon war keine Rede. Sie war ja damals kurz nach Achims
Ankunft mit dem Jungen und mit ihren Eltern im Uhlenhorster Fährhaus gewesen.
Elke schrieb an diesem Tag einen Brief
an ihren Onkel Bernhard in Stuttgart, und der Schluß lautete: „— Aber die
schönsten Ferien waren doch die mit Dir in den Bergen. Du hast mich auf die
Wildspitze mitgenommen, und ich durfte zeigen, was in meinen Kräften stand.
Hier zu Hause bin ich eigentlich immer nur das kleine Nestküken, das gar nicht
mitgerechnet wird. Ich bin manchmal sehr unglücklich darüber.“
Aber als es dann galt, diesen Brief in
einen Umschlag zu stecken und fortzuschicken, zerriß sie ihn wieder. Nein, es
war Unsinn, so betrübt daherzureden! Sie wollte lieber zu Mantsche hinübergehen
und sie fragen, ob sie nicht irgend jemand wüßte, der
ihr für Doktor Falkner eine Ziehharmonika leihen könnte.
7. Kapitel
ZIEHHARMONIKAMUSIK
In Tadsens Garten gab es viele Bänke,
und eine von ihnen stand vor einem Halbrund aus Syringengebüsch, und man sah
von ihr aus auf eine alte Graufichte, die allein auf einem großen Rasen stand.
Diese Fichte war ein herrlicher Baum, hochgewachsen und rundherum ebenmäßig
begrünt. Aber da sie all die vielen Jahrzehnte lang, die schon über sie
hinweggegangen waren, wohl auch dem Winde ausgesetzt dagestanden hatte, war der
obere Teil ihrer Spitze stark zur Seite gebogen. Fast wie abgeknickt sah die
Spitze aus. Aber das beeinträchtigte die Schönheit der dichte nicht, im
Gegenteil eigentlich! Als ein rechter, trotziger Wetterbaum stand sie da! Dem
Doktor Falkner war diese Fichte von allen Bäumen im Tadsenschen Garten der
liebste. Er mußte bei ihrem Anblick an die Hochgebirgsbäume seiner Heimat
denken, wo oft auf weiter Berghalde nur eine einzige Fichte oder Zirbelkiefer
stand, die sich allein im Kampf mit den Naturgewalten siegreich hatte behaupten
können. Aber er hatte das niemandem gegenüber ausgesprochen, und noch viel
weniger konnte jemand davon wissen, daß er sich wünschte, seine Ziehharmonika
bei sich zu haben, um ab und zu mit dem Baum eine kleine Zwiesprache in
Melodien halten zu können.
Um so erstaunter war er, als er eines
Vormittags, auf seinem gewohnten Rundgang durch den Garten, gerade auf der Bank
gegenüber der Fichte eine Ziehharmonika liegen sah.
Wer hatte die dorthin gelegt? Sie war
ja sicher für ihn dorthin gelegt worden!
Peter Falkner war so aufs tiefste
überrascht von seinem Fund, daß er eine ganze Weile nur dastand und das
Instrument auf der Bank wie ein Wunder anstarrte.
Dann trat ein frohes Lächeln in seine
Züge. Er stemmte beide Arme in die Seiten, und aus dem Lächeln wurde ein
volles, überaus behagliches Lachen.
Er setzte sich auf die Bank nieder,
nahm die Harmonika, besah sich ihre Bauart, probierte einzelne Töne und begann
zu spielen. Erst
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