Elke und ihr Garten
Tage später, an seine Arbeitsstätte
in der Schweiz zurückkehren. Von Prag aus hatte er der Familie Tadsen die erste
Karte geschrieben, und von Wien her war dann ein sehr herzlich gehaltener
Dankbrief an die Eltern gefolgt. Den nächsten Brief würde ja wohl Anke
bekommen!
Ja, Doktor Falkner war wieder
abgereist, und Elke war darüber sehr betrübt.
Sie war für Tage ganz verändert in
ihrem Wesen, sie schien überhaupt keine Unternehmungslust mehr zu haben. Sie
hatte Achim versprochen, am Schluß der Ferien, wenn Falkner wieder fort sei,
noch ein paarmal mit ihm auszureiten, und sie löste dieses Versprechen auch
ein, aber es war kein Schneid in ihr auf diesen Ritten. Sie schob das auf das
gemietete Pferd, weil es ihren Wünschen nicht entspreche, aber in Wirklichkeit
war es so, daß sie, während sie auf dem Pferd saß, überhaupt nicht ans Reiten
dachte. Sie hatte im Sonnenhof gut springen gelernt, aber jetzt kam sie mit
ihrem Pferd nicht einmal über einen mäßig breiten Graben hinüber.
Sie hatte jetzt auch wenig Lust dazu,
in ihrem Garten zu arbeiten. Sonst war sie in diesen Ferienwochen meistens früh
aufgestanden und war so fleißig gewesen, daß die Mutter ihr mehrere Male zu
bedenken gegeben hatte, daß die Ferien doch zum Ausruhen da seien. Aber jetzt
schlief sie lange, und wenn sie in den Garten ging, setzte sie sich gern weit
ab vom Haus ganz allein auf irgendeine Bank und guckte in die Luft, oder sie
ging still zwischen den Blumenbeeten und Baumreihen auf und ab.
Es war zu schön gewesen, als Doktor
Falkner da war! Gewiß, sie hatte sich manchmal geärgert, weil er immer soviel
mit Anke unterwegs gewesen war, aber er war doch auch an mehreren Tagen ganz in
Hemmelwarde geblieben und nicht in die Stadt gefahren. Da hatten sie alle
zusammen schöne Waldspaziergänge gemacht, hatten im See gebadet, waren Boot
gefahren oder hatten auf der Terrasse gesessen und sich unterhalten. Und am
allerschönsten war es dann gewesen, wie der Doktor die Ziehharmonika gehabt
hatte! Es war wirklich unbeschreiblich, wie er auf ihr hatte spielen können,
obgleich es ja alles andre als ein großartiges Instrument gewesen war, das sie
von dem Schuster Wenzel für ihn ausgeliehen hatte.
Anke konnte sich wirklich freuen, wenn
sie Doktor Falkner einmal zum Mann bekam.
In diesen Tagen des Traurigseins hatte
Elke ein ganz besonders inniges Verhältnis zu allem, was in ihrem Garten blühte
und lebte.
Heute erlebte sie folgendes:
Die ersten Sonnenblumen im Garten
waren aufgeblüht, und da sie gern eine in ihrem Zimmer in der Vase haben
wollte, war sie mit einem Messer hinausgegangen, um eine von ihnen
abzuschneiden. Sie hatte sich die schönste gewählt. Es war eine herrliche
Blüte! Funkelnd goldgelb waren ihre Strahlenblüten, und wie Sammet schimmerte
ihre innere, braune Blütenscheibe, die vom Blütenstaub wie von Goldperlen
übersät war. Eine Hummel in schwarzbraunem Pelzchen kroch behaglich auf der
Blütenscheibe hin und her, um den überall hervorglänzenden Honig aufzusaugen.
Die große, stolze Blütenkrone hing ein ganz klein wenig nach unten geneigt von
ihrem hohen, dichtbeblätterten Blütenschaft.
Elke maß mit den Augen ab, wie lang
sie den Stengel für ihre Vase brauchen könnte, und dann reckte sie die Arme, um
das Messer anzusetzen.
Aber dann ließ sie die Arme plötzlich
wieder sinken. Nein, sie konnte die Sonnenblume nicht abschneiden. Sie wollte
es nicht! Wie herrlich hob sich ihr strahlendes Gelb vom blauen Himmel ab. Und
sie sollte zwischen Zimmerwänden sterben? Nein!
Und dann war da die große, alte,
häßliche Kröte, die unter dem Findling neben der Wassertonne des
Tirolerhäuschens wohnte und die jeden Abend ihren Rundgang durch den Garten
antrat.
Bis jetzt hatte Elke das Tier seiner
Nützlichkeit wegen geachtet. Natürlich, man las es ja oft, und auch Gärtner
Westphal hatte es ihr immer wieder gesagt, daß die Kröten Schutz verdienten,
weil sie ausgezeichnete Ungeziefervertilger wären. Aber mehr als dulden und
achten konnte man so eine Kröte doch wirklich nicht, dazu war sie ja viel zu
häßlich!
Aber war sie denn wirklich so häßlich?
Elke fand es jetzt auf einmal gar
nicht mehr. Die Erdfarbe von so einer Kröte war durchaus nicht so fahl, wie man
es auf den ersten Blick meinte, denn sie hatte ganz hübsche dunklere Streifen
und Flecke. Und was die sonderbaren, warzenartigen Buckel anlangte, die den
Rücken bedeckten — die sahen ja beinahe wie gehämmert aus, wie
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