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Elke versteht das

Titel: Elke versteht das Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Brenner
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Elke so ein reiner Geist oder schaute sie einfach nur zu selten in die Tagespresse?
     »Aber alle Welt ächzt unter den Folgen der weltweiten Krise. Und du   …?«
    Elke zündete sich eine Zigarette an und blätterte in ihrer Frauenzeitung. »Welche Krise denn? Die ist doch längst vorbei.«
    Unglaublich. An dieser Frau prallte einfach alles ab.
    »Vorbei? Hast du mal die Börsenkurse gesehen?«
    »Natürlich. Seit Ende der Krise steigen sie kontinuierlich.«
    Schmalenbach schnappte nach Luft. »Wann soll denn das gewesen sein? Das Ende der Krise?«
    Elke schaute von ihrer Lektüre auf. Sie wirkte etwas verärgert. »Ja, wann wohl? Das weißt du doch selbst. Damals, als sie
     es in den Nachrichten gemeldet haben.«
    An eine solche Meldung konnte Schmalenbach sich nicht erinnern. Ob er da etwas Wichtiges verpasst hatte? »Anne Will hat sogar
     eine Sendung darüber gemacht. Ich glaube, sie hieß: Die Krise – endlich zu Ende. Oder so ähnlich.«
    Das konnte Schmalenbach sich nun gar nicht vorstellen.
    »Da war sicher ein Fragezeichen mit im Spiel, Elke. Ein sehr, sehr dickes Fragezeichen.«
    »Wenn überhaupt – ein Ausrufezeichen. Anne Will macht keine Sendungen mit Fragezeichen. Das unterscheidet sie ja von Maybrit
     Illner. Wohltuend, wie ich finde.«
    Ob Maybrit Illner oder Anne Will   – Schmalenbach war sich sicher, dass keine der Damen auf ihrem Sendeplatzselbstherrlich das Ende der Jahrhundertkrise ausrufen würde. Und selbst wenn Elke sich nicht getäuscht hatte – war das ein
     Grund für einen aufgeklärten und kritischen Menschen wie Schmalenbach, gleich die Fahne aus dem Fenster zu hängen?
    Elke schaute etwas zerknirscht – wie immer, wenn er ihr nicht gleich recht gab. »Du bist so   … ängstlich, Schmalenbach. Ja, wirklich ängstlich. Alle Welt freut sich, dass dieses Zähneklappern vorbei ist. Die Menschen
     tanzen auf den Straßen und liegen sich in den Armen. Und du? Du kauerst immer noch wie gelähmt vor Angst in deiner Ecke und
     traust dich nicht raus.«
    Also – wenn Schmalenbach Menschen auf den Straßen hatte tanzen sehen, dann waren das Betrunkene, die von der Krise sowieso
     nichts mitbekommen hatten. Und spontane Umarmungen in der Öffentlichkeit hatte er seit den späten sechziger Jahren nicht mehr
     beobachtet. Im Übrigen war er nicht ängstlich – er war einfach nur realistisch. Elke aber neigte dazu, die Augen zu verschließen
     oder den Kopf in den Sand zu stecken, wenn es um ökonomischeBelange ging. Im schlimmsten Fall tat sie beides gleichzeitig.
    »Elke, ich appelliere an dein Verantwortungsgefühl: Die Lage ist immer noch ernst. Und wir sollten nichts Unbedachtes tun.
     Vor allem sollten wir den Blick für die Realität nicht verlieren.«
    »Was soll das denn nun wieder heißen?« Elke verdrehte genervt die Augen.
    »Keine unbedachten Ausgaben. Unbedingtes Sparen. Die Reserven zusammenhalten. Niemals den Überblick verlieren.«
    Elke schleuderte ihre Zeitschrift in die Ecke. »Weißt du was: Mit dir macht das Leben keinen Spaß mehr. Diese ständige Schwarzmalerei.
     An nichts hast du Freude, du Miesepeter. Als es im Sommer so heiß war, haben wir Wasser gespart. Als es kalt wurde, drehten
     wir die Heizung kleiner. Was mutest du mir als Nächstes zu: Soll ich deine Klamotten auftragen? Oder soll ich mir einen Nebenjob
     in einem Callcenter suchen?«
    Schmalenbach wusste gar nicht, warum sie sich so aufregte. Dass Elke seine Kleider auftrug, kam natürlich nicht infrage. Schon
     allein wegen der unterschiedlichen Größen nicht. Aber das mit dem Callcenter war angesichts der andauernden Krise gar keine
     schlechte Idee.
    Schmalenbach wollte Elkes Anregung eigentlich aufgreifen. Aber bevor er überhaupt seine wohlabgewogenen Argumente vortragen
     konnte, war sie im Mantel und schlüpfte grußlos aus der Wohnung.
    Wieder mal war er allein – mit der Krise.
    Es war nicht einfach für einen Mann, in solchen Zeiten so ganz ohne Unterstützung seiner Frau dazustehen. Aber Schmalenbach
     war ja kein Jammerlappen, er war eben ein bedächtiger und realistischer Mensch. Im Gegensatz zu seiner Elke.
    Er würde auch das durchstehen – notfalls musste er Elke entmündigen lassen. Angesichts der Krise würden die Gerichte seinen
     Fall zügig durchwinken. Nur eines war ihm wichtig: Schmalenbach wollte nicht, dass die kränkelnde Ökonomie auch noch auf seine
     Beziehung durchschlug. Trotz der analytischen Meinungsverschiedenheiten waren sie ja ein eingespieltes und harmonisches

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