Elke versteht das
realistisch. »Und denk dir nur: Sie liegt ihm auch in den Ohren: Madame will
ein Haus am Meer, ekelt sich aber vor Meeresfrüchten.« Schmalenbach schüttelte sich vor Lachen.
Elke fuhr ihn an: »Was gibt’s da zu lachen?«
»Ein Haus am Meer. Stell dir vor, wie Carola, diese Couchpotato, den Sand ausfegen muss, der da reinweht. Es riecht doch am
Meer immer nach Meeresfrüchten. Carola spuckt von morgens bis abends Gift und Galle.«
Jetzt brach es aus Elke heraus: »Weißt du was, du Klugscheißer: Ich beneide sie darum. Ich würde liebend gerne den Sand aus
meinem Haus am Meer fegen und morgens schon Meeresfrüchte essen. Schmalenbach, warum haben wir eigentlich kein Haus am Meer?«
Da hatten sie den Salat. Hätte er doch nur seinen Mund gehalten. »Elke, damit keine Missverständnisse aufkommen: Auch Pfeifenbergers
haben kein Haus am Meer. Carola redet nur unentwegt davon. Pfeifenberger aber denkt nicht im Traum daran, sich wegen so einer
Grille elend zu verschulden.«
»Was gehen mich diese bescheuerten Pfeifenbergers an? Ich will jedenfalls ein Haus am Meer. Und zwar schon lange. Ich habe
nur meinen Mund gehalten, weil ich dich damit nicht unter Druck setzen wollte. Aber jetzt halteich es nicht mehr aus. Wenn ich nicht bald mein Haus am Meer bekomme, weiß ich nicht, was geschieht, Schmalenbach! Ich habe
das hier alles so satt: Das Nordend, miese Leute wie die Pfeifenbergers, alle diese hohlen Angeber und Windmacher …«
Schmalenbach flehte sie an: »Aber wir haben doch uns, Elke!«
»… und was glaubst du, wie satt ich dich erst habe? Dich – mit deiner Selbstgenügsamkeit und diesem spießigen kleinen Realismus.«
Jetzt äffte sie ihn auch noch nach: »Wir brauchen das nicht und das nicht. Warum sollten wir glücklich sein und das Leben
genießen, wir haben doch uns. Ich will endlich ein Haus am Meer, sonst …«
»Und wie wär’s zwei Mal die Woche mit einem multiplen Orgasmus?«
»Mit wem denn? Mit dir? Ich glaube, da wäre es realistischer, auf ein Haus am Meer hin zu arbeiten, Schmalenbach. Unter uns
gesagt.«
Das tat weh. Dabei war Schmalenbach sich so sicher gewesen, dass Elke anders war. Was konnte man da tun – wenn nicht mal der
Sand in der Bettwäsche sie abschreckte. »Wenn es dir so wichtig ist, kaufen wir eben ein Haus am Meer.«
Vor lauter Glück umarmte und liebkoste sie ihn. »Und wo? An welchem Meer?«
Schmalenbach nahm den Atlas zur Hand. »Die Kanalküste wäre das Nächste.«
»Die ist unromantisch. Alle diese Industrieanlagen in Rotterdam und Dünkirchen.«
Schmalenbach seufzte. »Das Mittelmeer ist weit und wetterabhängig. Die Ostsee ist politisch unsicher.«
»Wenn überhaupt, will ich ein Haus in der Karibik«, entschied Elke.
»Gut. Ich kümmere mich gleich morgen darum«, sagte Schmalenbach und gähnte.
»Aber keine enge Bude, in die man nicht mal Freunde einladen kann.«
»Also etwas Gediegenes mit Pool und eigener Bootsanlegestelle.«
Elke schmiegte sich an Schmalenbach. »Ach, hätte ich nur früher mit dir darüber geredet!«, gurrte sie glücklich. Genau – man
musste darüber reden.
DIE DUFTSPUR
Wie die meisten Frauen verfügt auch Elke über einen stark entwickelten Geruchssinn. Und sie glaubt, weil sie gut riechen kann,
würde sie auch gut riechen. Das ist falsch.
Unsere Gesellschaft hat sich in letzter Zeit vor allem geruchsmäßig entwickelt. Während früher nur Prostituierte, Erbtanten
und Frisöre sich Mühe mit ihrem olfaktorischen Erscheinungsbild gaben, kämpft heutzutage das ganze Volk um sein Geruchsprofil.
So kommt es, dass selbst Waldfacharbeiter einen individuellen Duft haben. Der muss nicht unbedingt waldspezifisch sein. Manche
Männer mögen es, nach Vanillepudding zu riechen. Besonders junge Türken haben einen Narren an diesem Duft gefressen. Sie sind
es, die das Treppenhaus eines Mehrfamilienhauses für zwölf bis vierundzwanzig Stunden in einen Riesentopf Vanillepudding verwandeln,
indem sie morgens um sechs die Werbung in die Briefkästen stecken. Es gibt Almbauern, die nach Meer riechen, und Matrosen,
die sich für Alpenveilchen entschieden haben. Umgekehrt haben heutzutage Frauen aus Chefetagen den Mut, sich so zu parfümieren,
als hätten sie die Nacht in einem Heuschober verbracht, während arbeitslose Männer, die ihreTage in der Eckkneipe verbringen, eine Spur von Gummiabrieb auf Formel- 1-Strecken hinter sich herziehen. Dabei fahren sie nicht mal Fahrrad.
Man kann Elke
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