Elke versteht das
damit an: »Weißt du, wovon ich schon lange träume? Von einem Haus am Meer.« Oder direkter: »Ich will endlich mein Haus am
Meer – oder können wir uns das auch nicht leisten?«
Elke mag anspruchsvoll sein – etwa wenn es um Schmalenbachs Äußeres geht. Aber den Tick mit dem Haus am Meer hat sie nicht.
Schmalenbach bietet ihr eben alles, was sie braucht.
Das Haus am Meer – das ist nur ein Symptom dafür, dass eine Frau ihr Leben nicht gelebt hat. Dass sie unzufrieden ist mit
sich und ihrem Ein-Euro-Job, dem übergewichtigen Lebensgefährten und der muffigen Mietwohnung in einem sozialen Brennpunkt
der Großstadt. Also baut sie sich eine imaginäre Gegenexistenz auf. Das romantische Haus am Meer eben.
Wenn solche Frauen in die Verlegenheit kämen, ans Meer ziehen zu müssen, würden sie sich wundern. Sagt Pfeifenberger. Dessen
Frau Carola träumt auch von einem Haus am Meer.
Aber Pfeifenberger wird ihr das schon austreiben. Indem er ihr vor Augen führt, was das für eine Plackerei ist mit dem Sand,
der ständig hereinweht. Alle paar Minuten muss die ganze Bude durchgefegt werden, wenn man nicht als Sanddüne enden will.
»Carola isst nicht mal Meeresfrüchte«, schimpfte er kürzlich. »Jemand, der keine Meeresfrüchte mag, sollte auch nicht am Meer
wohnen.«
»Elke mag Meeresfrüchte. Aber sie will trotzdem kein Haus am Meer«, erklärte Schmalenbach abgeklärt. Er war ein bisschen stolz
auf seine vernünftige und glückliche Frau.
Pfeifenberger schaute ihn groß an. »Jede Frau will ein Haus am Meer. So wie sie zwei Mal die Woche einen multiplen Orgasmus
will und ab und zu eine Flasche Prosecco für achtzehn Euro. Irgendwas muss mit deiner Elke nicht in Ordnung sein, Schmalenbach.«
Pfeifenberger hatte von richtigen Frauen überhaupt keine Ahnung. So wusste er nicht, dass Frauen mit Herz und Verstand es
gar nicht nötig hatten, Luftschlösser zu bauen oder multiplen Orgasmen hinterherzujagen, wenn der Mann an ihrer Seite sich
für ihren Alltag, ihre Arbeit, ihre Wünsche, Nöte und Sorgen interessierte. Eine solche Frau hatte keine Defizite. Sie brauchte
auch kein Haus am Meer. Sie war zufrieden. Was einen multiplen Orgasmus ja nicht ausschloss – aber der musste dann auch nicht
gleich zwei Mal die Woche sein.
Carola Pfeifenberger kümmerte sich mehr schlecht als recht um den Pfeifenbergerschen Haushalt, wenn man ihre »Konserven-Wirtschaft«
( O-Ton Elke) so bezeichnen konnte, und vernachlässigte nach Lust und Laune die Kinder.Worüber sollte man mit so jemandem reden? Über Nachmittagstalkshows und die aktuellen Preise für Pediküren?
Bei Elke war das ganz anders. Sie erlebte im Büro tagtäglich menschliche Dramen und Komödien von Shakespeareschem Ausmaß.
Darüber konnte man sich stundenlang köstlich mit ihr unterhalten. Für unausgegorene Mädchenträume war gar keine Zeit mehr,
wenn man sich so intensiv austauschte wie Schmalenbach und Elke.
»Na, wie war’s heute im Büro?«, fragte Schmalenbach wie üblich an diesem Abend.
»Wie soll’s gewesen sein? Wie immer.«
»Hast du dich wieder über deine Kolleginnen ärgern müssen?«
»Ich bin doch nicht bescheuert und ärgere mich auch noch über diese intriganten, hysterischen, neidgeplagten Schnepfen. Die
können mir gestohlen bleiben.«
Das war genau die richtige Haltung. »Elke, du bist denen sowieso haushoch überlegen. Hauptsache, du hast Freude an deiner
Arbeit. Alles andere ist zweitrangig.«
Da kamen Elke die Tränen. »Ich habe die Nase gestrichen voll. Diese blöde Arbeit kotzt mich so an. Alles kotzt mich an.«
Die Arme. Schmalenbach streichelte sie. »Das geht vorbei. Hauptsache, du behältst die Füße auf dem Boden.«
Doch Elke wollte sich nicht trösten lassen. »Und weißt du, was das Schlimmste ist: Du kotzt mich auch an.«
Auch das ging vorbei. Schmalenbach kannte sich damit aus. »Wenn wir beide zusammenhalten, dann kann gar nichts passieren.
Du bist ja schließlich nicht Carola Pfeifenberger. Die ist zutiefst unzufrieden und setzt Pfeifenberger ständig mit irgendwelchen
Spinnereien zu.«
Wenn man über ihre beste Freundin schimpfte, heiterte das Elke immer auf. »Was für Spinnereien denn?«
»Na ja, sie will zwei Mal die Woche einen multiplen Orgasmus.«
Jetzt musste Elke sogar lachen. »Mit Pfeifenberger? Da muss man als Frau doch dankbar sein für jeden multiplen Orgasmus, der
einem erspart bleibt.«
So liebte Schmalenbach seine Elke: rotzfrech und
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