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Elke versteht das

Titel: Elke versteht das Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Brenner
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auch tat.
    Bis ihn eines Abends Manderscheid charmant korrigierte: »Es heißt nicht ›in der Natur der Sache‹, es heißt ›in der Sache der
     Natur‹, mein Lieber.«
    Schmalenbach fiel aus allen Wolken. »Du als Intellektueller müsstest doch wissen, dass   …«
    Manderscheid unterbrach ihn unwillig. »Jeder philologisch gebildete Mensch weiß, dass Sprache ständig im Fluss ist. Und so
     hat sich die altertümliche Wendung ›in der Natur der Sache‹ in jüngster Zeit auch unter Hochsprachlern in ›in der Sache der
     Natur‹ umgebildet.«
    Alle anderen stimmten ihm zu. So zog Schmalenbach sich zurück – und machte sich selbst den Vorwurf, nicht rechtzeitig eingeschritten
     zu sein gegen eine beklagenswerte Sprachentwicklung, die von niemandem anderen ausgegangen war als von seiner Elke.

DER LETZTE THUNFISCH
    Schmalenbach sah es sofort, als er ins Zimmer trat. »Du hast geweint?«, fragte er.
    »Lass mich bloß in Ruhe!«, fauchte Elke.
    Also doch: Sie hatte geweint.
    Schmalenbach konnte nur hoffen, dass er nichts getan hatte, was sie zum Weinen gebracht haben könnte. Elke fühlte sich oft
     bei Dingen verletzt, über die andere nur lachen konnten.
    Aber Elke konnte eben nicht darüber lachen. Das war das Problem.
    Schmalenbach hatte wieder einmal einen Abend mit seinen Freunden verbracht, anstatt sich um seine Elke zu kümmern. »Ein Mann
     braucht das ab und zu. Er muss sich mit seinen Freunden treffen. Tut er das nicht, so kann es zu sehr unangenehmen Ausfällen
     kommen.« Und er fügte dunkel hinzu: »Du liest sicher manchmal davon in der Zeitung.«
    Doch Elke schien ihm gar nicht zuzuhören. »Zuerst habe ich in einem Buch gelesen, das gefiel mir nicht. Aber die Nachrichten
     im Fernsehen waren leider schon vorbei.«
    Schmalenbach schnürte es den Hals zu: Wenn er gewussthätte, welches Elend Elke zu Hause durchstand – er hätte sie niemals allein gelassen.
    Sie wischte die Tränen weg. »Nach dem Wetter kam eine Reportage. Normalerweise schaue ich mir ja keine Reportagen an, wie
     du weißt.«
    Gerade Reportagen – gut gemachte Reportagen – waren bestens dazu geeignet, Frauen, die sich langweilten, weil ihre Männer
     sich gerade mit den Freunden amüsierten, von ihrem Elend abzulenken, indem sie diesen die Welt zeigten, wie sie wirklich war:
     interessant, originell, bunt, leidenschaftlich und überraschend.
    »Aber diesmal konnte ich einfach nicht abschalten.« Sie nahm einen langen Anlauf. »Es ging um Thunfisch.«
    Schmalenbach sah eine Chance, sie etwas aufzumuntern: »Thunfisch? Schade, dass ich das verpasst habe. Du weißt ja, wie sehr
     ich Thunfisch liebe. Natürlich nicht diesen trockenen, völlig geschmacklosen Thunfisch in Dosen. Nein, den frischen, fleischigen,
     saftigen Thunfisch, aus dem man Carpaccio macht oder Sushi. Ich könnte mich daran totessen. Dieser volle Geschmack nach Meer,
     nach Leben, nach Tiefsee und salzigen Winden. Ich glaube, es gibt nichts Köstlicheres. Erst durch frischen Thunfisch lernt
     man das Meer lieben. Ich könnte, wenn es sein müsste, nur von dieser Delikatesse leben. Du nicht?«
    Elke sah ihn lange an. Ihr Blick war verächtlich. »Diese Reportage handelte davon, dass der Thunfisch eine bedrohte Tierart
     ist. Verstehst du, es wird diese schönen, stolzen Tiere bald nicht mehr geben. Und weißt du auch warum?«
    Schmalenbach hatte plötzlich einen schlechten Geschmack im Mund. Einen Geschmack nach altem, fauligemFisch. »Wegen der Verschmutzung der Meere, nehme ich an.«
    »Falsch. Weil alle Welt sich neuerdings den Bauch vollschlagen muss mit dem Fleisch eines Tieres, das es immer schwerer hat
     zu überleben.«
    Und Schmalenbach wurde klar, was für ein billiger, ein schmutziger, ein verantwortungsloser Charakter er eigentlich war. Ein
     Mensch, der nicht nach links und rechts schaute. Ein Egoist, der nur die Befriedigung seiner niederen Triebe im Kopf hatte.
     Dem alles andere egal war. Der auf die Schöpfung spuckte. Schmalenbach hasste sich dafür.
    »Du – die haben gezeigt, wie sie diese schönen Tiere fangen. Piraten. Geschäftemacher. Halsabschneider. Männer, die sich einen
     Dreck um Fangquoten kümmern, ziehen riesige Schleppnetze hinter sich her. Sie machen regelrechte Treibjagden auf Thunfische.
     Dann ziehen sie sie an Haken aus den Netzen. Die Schiffsplanken sind voller Blut   …«
    »Hör auf!«, sagte Schmalenbach.
    »Wie bitte?«
    »Du sollst damit aufhören! Ich kann es nicht hören.«
    »Aber du willst weiter

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