Elke versteht das
Thunfisch-Carpaccio essen, stimmt’s? Schmalenbach, wie sagst du immer so schön: Es gibt kein wahres
Leben im falschen.«
Das war zu viel für ihn. Er ging schlafen.
Nachts träumte er von einem Thunfischschwarm, der ins Netz skrupelloser Schwarzfischer geraten war. Es war schrecklich. Bis
auf einen Fisch wurden alle massakriert. Nur dieser eine Fisch blieb übrig. Schmalenbach wusste: Es war der letzte Thunfisch.
Elke hatte ja recht. Der Mensch durfte die Erde nicht sogedankenlos ausräubern. Er durfte sich nicht nehmen, was er wollte. Wenn man dieses Erdendasein mit Würde überstehen wollte,
musste man beginnen, sich selbst im Zaum zu halten, vernünftiger zu wirtschaften und die Natur mit Respekt zu behandeln.
Schmalenbach aß für sein Leben gerne Thunfisch. Frischen, knackigen, kräftigen Thunfisch. Aber er musste von nun an darauf
verzichten. Im Interesse des Lebens. Das war zwar schwer, aber er würde es tun. Das war er sich schuldig. Sich und Elke.
Wie er die kannte, würde sie sowieso nie wieder ein Stück Thunfisch essen. Elke war – wie alle Frauen – sehr konsequent und
unbarmherzig gegen sich selbst, wenn es um ein Leben in Würde ging. So wie sie einst aufgehört hatte, Schweinefleisch zu essen,
würde sie jetzt damit aufhören, Thunfisch zu essen. Einfach weil sie ein besserer Mensch war.
Am nächsten Tag kam er auf seinem Nachhauseweg an einem japanischen Restaurant vorbei. Fast alle Plätze waren besetzt. Kein
Wunder, dass die Thunfisch-Population in den Weltmeeren drastisch schmolz, wenn um halb fünf schon alles, was in Frankfurt
Rang und Namen hatte, Sushi und gegrillte Thunfischsteaks verschlang. Wenn er die gierigen Gesichter sah, verstand er Elkes
Wut. Es war einfach nicht Sinn der Schöpfung, dass Banker und Werbeleute nachmittags schon Thunfisch in sich hineinstopften.
Schmalenbach betrat das Restaurant und nahm am letzten freien Tisch Platz. Das Ganze ging schnell und mit heiligem Ernst vonstatten.
Bevor Schmalenbach zusammen mit seiner strengen Elke ein wahrhaftigeres Dasein begann, in dem Thunfisch-Steaks nicht mehr
vorkamen,musste er sich ein letztes Mal Gewissheit darüber verschaffen, wie dieser Fisch schmeckte, den er mit seinem Verzicht vor
dem Aussterben bewahrte.
Er bestellte einen Reiswein und ein gegrilltes Thunfischsteak, für das selbst der größte Teller zu klein war. Dann machte
er sich an die Arbeit. Er vertilgte ein ausgesuchtes Stück von einem stolzen Thunfisch.
Selbst die seltenste Köstlichkeit wird irgendwann schal und widerlich, wenn man zu viel davon isst. Aber da Schmalenbach sich
des Ernstes der Situation bewusst war, zwang er sich dazu aufzuessen. Schließlich war das kein Vergnügen, sondern das Ende
der sträflichen Völlerei und der Beginn eines wahren, ehrlichen Lebens. Als er fertig war, stieß ihm das Essen unangenehm
auf. Er trank seinen Reiswein und war fast ein wenig erleichtert darüber, dass er nun nie, nie wieder Thunfisch essen würde.
Er hatte seine Leidenschaft für frischen Thunfisch ein- für allemal besiegt. Zufrieden mit sich und seiner Seele machte er
sich auf den Heimweg.
Das Essen wartete. Wahrscheinlich Salat und irgendeine Tofupressung. Das gehörte auch zu der geläuterten Existenz: eine ethisch
saubere Ernährung.
Elke brachte zwei riesige Portionen. Thunfisch. Sie hatte sich nicht lumpen lassen.
»Aber, Elke, wir waren doch übereingekommen, keinen Thunfisch mehr zu essen.«
»Wie kommst du denn darauf, mein Schatz?«
»Du hast gesagt, der Thunfisch stirbt aus, wenn es so weitergeht, oder?«
»Ja, aber das heißt noch lange nicht, dass wir keinen Thunfisch mehr essen.«
Schmalenbach musste sich setzen, der widerliche Thunfischgeruch zog ihm in die Nase, er hätte sich schütteln können.
»Greif zu!«, forderte sie ihn auf und nahm sich selbst ein Stück. »Wer weiß, wie lange wir das noch können. Oder sollen wir
etwa allein auf den köstlichen Thunfisch verzichten, während die anderen die Meere leer fressen?«
RALF ODER ROLF ODER RUDI
Schmalenbach hatte gerade Sex gehabt – den besten Sex seines Lebens. Irritierend war nur, dass es nicht mit Elke gewesen war,
sondern mit jemandem, der Ralf hieß oder Rolf oder Rudi. Schmalenbach wunderte sich, dass er sich auf diesen völlig fremden
Partner hatte einlassen können. Zumal der unübersehbar männlich war. Er hätte diesem Ralf oder Rolf oder Rudi auch gerne noch
gesagt, dass es nicht seine Art war, mit Männern
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