Elke versteht das
andere.
Schmalenbach war wie viele Männer: Amputationen ohne Betäubung hätte er klaglos ertragen, doch wenn seine Frau unter einer
Malaise litt, konnte er verzweifeln.
»Vielleicht hättest du die italienische Kohlsuppe nicht essen sollen«, begann er mit der Anamnese.
»Italienische Kohlsuppen sind sehr gesund. In den Abruzzen gibt man sie den Säuglingen gegen Blähungen.«
»Vielleicht ist es der Wetterumschwung.« Schmalenbach hatte die Erfahrung gemacht, dass Frauen immer offen waren für den Wetterumschwung
als Ursache für gesundheitliche, politische und sexuelle Krisen.
Aber diesmal spielte Elke nicht mit. »Wir haben seit Monaten die gleiche Wetterlage. Wie sollte mein sensibler Körper also
mit solchen Krämpfen auf einen Umschwung reagieren, den es gar nicht gibt? Ich bin doch keine Hysterikerin.«
Schmalenbach erschrak. »Hast du eben Krämpfe gesagt? Soll das heißen, dass du seit Tagen unter Krämpfen leidest – und wir
tun nichts?«
Elke seufzte schon wieder. »Ich weiß gar nicht, warum du dich so aufregst.
Ich
habe doch diese Krämpfe, nicht du. Wenn du diese Krämpfe hättest, wären wir längst irgendwo in einem Großklinikum oder wir
würden dich im Hubschrauber zur Behandlung ins Ausland fliegen lassen. Im Übrigen ist es etwas Gynäkologisches«, sagte sie
– und ließ das erst mal so stehen.
»Etwas Gynäkologisches?«, wiederholte Schmalenbach. Elke hob die Stimme. »Eine Frau spürt so etwas, verstehst du?«
Das war der Moment, in dem jeder vernünftige und erfahrene Mann die Segel strich. Etwas Gynäkologisches.Das war schlimmer als ein Auffahrunfall mit Personenschaden. Aber für Gynäkologisches war ein Mann nicht mehr zuständig. Nicht,
weil er zu blöd oder zu indolent wäre. Nein, weil die Frauen das so wollten. Es ist etwas Gynäkologisches – das hieß: Es ist
zwar furchtbar, und es tut höllisch weh, wer weiß, was ich für entsetzliche Eingriffe werde erdulden müssen, aber wichtig
ist jetzt nur eines: Misch dich nicht ein!
Doch Schmalenbach war nicht der Typ, der vor dem Unabänderlichen kapitulierte. Er liebte seine Elke, und da er sie liebte,
wollte er ihr helfen. Egal, ob ihr nun zu helfen war oder nicht. Deshalb wagte er es auch, das zu sagen, was ihm wie ein böser
Fluch auf der Zunge lag: »Was würdest du davon halten, einen Gynäkologen aufzusuchen?«
Elke schien zu platzen vor Entrüstung. Sie sprang auf, hielt sich erschrocken den Unterleib und lief im Zimmer auf und ab.
»Reicht es denn nicht, dass ich so leide? Musst du mir auch das noch antun?«
»Was ist so schlimm daran, zu einem Gynäkologen zu gehen?«
Elke hielt in ihrer Raserei inne, wollte etwas Grundsätzliches sagen, ließ es dann aber doch, setzte sich hin und zündete
sich mit zittrigen Fingern eine Zigarette an. Gerne hätte Schmalenbach ihr jetzt gesagt, dass es für ihr Wohlbefinden nicht
förderlich war, wenn sie sich so aufregte und dabei auch noch rauchte. Aber da er sie in diesem Zustand nicht noch mehr aufbringen
wollte, schwieg er.
»Ihr Männer seid gefühllos«, schimpfte Elke. »Ich weiß gar nicht, warum wir Frauen uns noch mit euch abgeben.«
Dann trat eine lange Phase der Stille ein. Irgendwannseufzte Elke wieder und sagte: »Ich würde nie, nie, niemals zu einem Gynäkologen gehen. Natürlich kommt für mich nur eine
Gynäkologin infrage.«
Schmalenbach war erleichtert. Er holte das Telefonbuch und suchte eifrig nach der Seite mit den Gynäkologinnen. »Gib dir keine
Mühe!«, sagte Elke. »Ich gehe nicht zu irgendeiner Gynäkologin. Eine Frau muss zu ihrer Gynäkologin Vertrauen haben. Die Gynäkologin
ist die beste Freundin einer Frau. Ich bin mir sicher, dass man eine beste Freundin nicht im Branchenbuch findet.«
Also schlug Schmalenbach das Telefonbuch zu und wartete.
»Carola Pfeifenberger hat mir eine gute Gynäkologin empfohlen. Die arbeitet auf anthroposophischer Basis«, erklärte Elke.
Seinetwegen hätte sie auf der Basis der aktuellen Dax-Werte arbeiten können – Hauptsache, sie hatte ein medizinisches Examen
und befreite Elke von diesen höllischen Unterleibskrämpfen.
»Soll ich Carola anrufen?«, fragte Schmalenbach noch.
Elke blies empört die Backen auf. »So weit kommt’s noch: Dass du meine beste Freundin anrufst und nach der Nummer ihrer Gynäkologin
fragst. Natürlich rede ich mit Carola. Schließlich geht es um Gynäkologie und nicht um den aktuellen Stand der Bundesligatabelle.«
Auch mit dieser
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