Elke versteht das
zusammentun und in
Zukunft ein erfülltes und nicht durch Lapsus Linguae überschattetes Beziehungsleben führen können. Jetzt ist es dafür zu spät
– schon allein, weil gut aussehende Lyrikerinnen immer seltener werden und die Philologinnen mit Rentenanspruch alle schon
vergeben sind.
Es ist, wenn es um Sprache geht, ein bisschen wie im Krieg: Nur der bleibt von unverschämten Angriffen verschont, der bereit
ist, selbst als Erster anzugreifen. Deshalb hat Schmalenbach sich nun vorgenommen, sein angeborenesTaktgefühl zu überwinden und Elke zurechtzuweisen, sobald sie sich mal wieder sprachlich zu einer Peinlichkeit versteigt.
Die erste Gelegenheit ergab sich kürzlich: »Das liegt doch in der Sache der Natur.« Dieser Lapsus war Elke in Fleisch und
Blut übergegangen. Und Schmalenbach hatte sich oft gefragt, wie lange er ihn noch ertragen würde, ohne dass sein Kleinhirn
ernsthaften Schaden nahm.
Er hob also seine Stimme in bedeutungsvolle Höhen. »Liebe Elke, es wird Zeit, dass ich dich auf einen sprachlichen Schnitzer
hinweise, der kein schönes Licht auf deine Bildung wirft. Es heißt, etwas liege ›in der Natur der Sache‹ – und nicht anders.«
»Genau. Sag ich doch.«
Schmalenbach verkniff sich den Hinweis auf die Unsauberkeit verkürzter Aussagesätze. »Nein, du hast die Wendung falsch gebraucht:
Es liegt in der ›Sache der Natur‹ …«
»Eben. In der Sache der Natur. Ist doch klar.«
»Mal abgesehen davon, dass es für eine Frau deines Alters nicht gerade elegant ist, sich in Satzfragmenten auszudrücken.«
»Satzfragmente? Ich? Quatsch!«
»Es geht um etwas anderes. Nämlich um die falsche Redewendung ›in der Sache der Natur‹.«
»In der Sache der Natur. Kennst du nicht? Das sagen sie selbst im Fernsehen.«
»Elke, zum letzten Mal: Es heißt ›in der Natur der Sache‹. Du solltest das in Zukunft richtig machen. Ich möchte nämlich nicht,
dass man über meine Frau lacht.«
Das saß. Elke bekam einen roten Kopf – das war bei ihr äußerst selten und für Schmalenbach so etwas wie einOrden, den man sich nur im Kampf Mann gegen Mann erwarb.
»Auf die Idee, dass du falschliegen könntest, kommst du wohl überhaupt nicht?«, fragte sie nach langem Schweigen trotzig.
»Nicht, wenn es um Sprache geht. Die Sprache ist mein Metier. Ich bin Werbetexter. Ein Werbetexter hat die Feinheiten seiner
Muttersprache mit der Muttermilch eingesogen.«
»Du sitzt mal wieder auf einem verdammt hohen Ross, Schmalenbach. Nur weil ich nicht studiert habe, glaubst du, mich als blöd
hinstellen zu können …«
Schmalenbach hatte ihr doch nur helfen wollen. Nun schossen Elke die Tränen in die Augen. Er nahm ihre Hand. »Du bist und
bleibst ein warmherziger und blitzgescheiter Mensch«, beteuerte er.
»Aber einer, der sich nicht richtig ausdrücken kann und nur in abgehackten Sätzen spricht«, schluchzte sie.
Es gehörte zu einer erfüllten Beziehung, dass man berechtigte Kritik einstecken konnte. Schmalenbach gab sich alle Mühe, Elke
wieder das Gefühl zu vermitteln, dass sie ihm ein gleichberechtigter Partner war. »Sieh mal, die Sprache ist doch nur ein
Werkzeug, ein Hilfsmittel zur Kommunikation. Es gibt andere, nonverbale Hilfsmittel. Und die beherrschst du wie kaum eine
andere …«
Sie schluchzte immer noch. »Das sagst du jetzt nur so.«
»Nein. Ich meine es ernst. Für eine gute Beziehung ist es allein wichtig, dass die Herzen im gleichen Takt schlagen. Und nicht,
ob immer der richtige Kasus benutzt wird. Das liegt doch in der Natur der Sache …«
Sie putzte sich die Nase. »Es heißt ›in der Sache der Natur‹.Nur der Ordnung halber. Carola sagt es auch so, und die hat mal einen Schreibmaschinenkurs gemacht.«
Carola Pfeifenberger war für korrektes Sprachverhalten in etwa so kompetent wie Putin für die Menschenrechte. »Lass uns doch
einen Kompromiss schließen! Da wir uns nicht einigen können, wie die richtige Fassung dieser Redewendung lautet, wirst du
in Zukunft auf sie verzichten.«
Elke überlegte eine Weile. Offensichtlich suchte sie den Haken bei der Abmachung. »Aber du machst mit: Du sagst auch nicht
mehr ›in der Natur der Sache‹. Da stellen sich bei mir nämlich die Nackenhaare quer.«
Wenn man eine lebendige Sprache zu sprechen gewohnt ist, ist es sehr schwierig, auf eine beliebte Wendung zu verzichten. Aber
Schmalenbach konnte ja unter seinen Freunden in sprachlichen Feinheiten schwelgen – was er dann
Weitere Kostenlose Bücher