Ella in den Ferien
uns die exotische Insel mal an, damit wir sie wach wiedererkennen«, hörten wir sie mit sich selbst sprechen.
Wir kriegten einen Riesenschreck. Wenn die Reisetante herauskam, würde sie uns sehen und bestimmt nicht mehr glauben, dass sie träumte. Dann wäre alles verdorben.
»Tuâs lieber nicht!«, dröhnte Timo.
»Warum nicht?«, fragte die Reisetante.
»Weil hier nachts unheimliche Gestalten herumgeistern«, sagte Timo.
»Verstehe«, sagte die Reisetante.
»Und auch mich darfst du nicht sehen, sonst klappt der ganze Zauber nicht«, fügte Timo hinzu.
Diesmal sagte die Reisetante nicht »Verstehe«. Sie sagte gar nichts. Dann hörten wir, wie sie sich aus ihrem Schlafsack wand und sich dem Eingang des Zelts näherte.
»Nimmâs mir nicht übel, aber ich komme trotzdem nach drauÃen«, sagte sie. »Ich spüre nämlich etwas komisch Haariges.«
Die Reisetante wollte gerade den ReiÃverschluss ihres Zelts ganz nach unten ziehen, als Pekka drauÃen über die Zeltschnur stolperte. Er war so oft ums Zelt herumgerannt, dass ihm schwindlig wurde. Pekka versuchte noch einen Augenblick, das Gleichgewicht zu halten, dann schoss er mit dem Kopf voran wie ein Torpedo ins Zelt des Lehrers und seiner Frau. Aus dem Zelt war erst ein Rumpeln zu hören und dann das Kreischen der Frau des Lehrers. Dann hörte man nichts mehr, nur Pekka kam wieder aus dem Zelt herausgeschossen. Hinter ihm hüpfte ein erschrockener Frosch, und hinter dem Frosch krochen fünf haarige Raupen. Pekka rannte schnurstracks zum Strand und sprang ins Wasser, dass es nur so platschte.
»Klasse Idee!«, hörten wir die schläfrige Stimme seines Vaters.
Das war der Moment, als Mika anfing zu weinen, weil alles immer nur schiefging, dabei gab ihm ja niemand die Schuld daran. Mika ist echt eine Heulsuse. Als wir Mädchen lachten, weinte er noch mehr. Dabei lachten wir über Pekka.
Timo schlich leise in sein Zelt, lieà aber die Kapitänsmütze vor dem Zelt der Reisetante liegen. So hatten wir es verabredet.
Von der Reisetante hatten wir seit Pekkas Sturzflug nichts mehr gehört. Jetzt hörten wir sie wieder. »Ich glaube, wir bleiben doch lieber liegen«, sagte sie zu sich selbst und zog den ReiÃverschluss ihres Schlafsacks wieder zu.
Am Morgen danach waren wir gespannt, wie es weiterging. Die Reisetante stand als Letzte auf. Sie kam aus ihrem Zelt gekrochen, stand auf â und da bemerkte sie die Kapitänsmütze. Sie drehte sie eine Weile nachdenklich in den Händen, dann setzte sie sie auf. Sie kroch noch mal ins Zelt und kam mit einer Handvoll Muscheln, schönen Steinen, einer haarigen Raupe und einer platt gedrückten Blume zurück. Sie untersuchte alles ganz genau und schaute um sich, als sähe sie die Insel zum ersten Mal.
»Guten Morgen!«, sagte sie zu dem Lehrer und seiner Frau, die schon ein paar verkohlte Reste des Mittsommerfeuers angezündet hatten und Kaffee kochten.
»Na, wie siehtâs heute Morgen aus?«, fragte der Lehrer. »Träumst du einen Traum, in dem du gerade aufgewacht bist, oder was?«
»Es sieht so aus, dass ich aufgewacht bin und überhaupt nicht mehr träume«, sagte die Reisetante. »Es hat sich ausgeträumt. Der Traum heute Nacht hat mir endgültig gereicht. Ehrlich gesagt, war das der komischste Traum, den ich je geträumt habe.«
»Genau wie bei mir«, sagte die Frau des Lehrers. »Stellt euch vor, ich habe geträumt, ich hätte einen Frosch geküsst, der sich plötzlich in einen nackten Pekka verwandelt hat. In meinem ganzen Leben bin ich noch nicht so heftig aus einem Traum aufgeschreckt.«
»Und meiner erst«, sagte der Lehrer. »Erst spüre ich merkwürdig weiche Fingerchen in meinen Haaren, dann will ich meine Frau küssen, und was sehe ich: wie sie einen Frosch küsst, der sich in den nackten Pekka verwandelt.«
»Was solche Träume wohl zu bedeuten haben?«, sagte die Frau des Lehrers nachdenklich.
»Vielleicht waren es verschlüsselte Träume, und wir haben unser zweites Kind gesehen«, schlug der Lehrer vor.
»Redest du von dem Frosch oder von Pekka?«, fragte seine Frau und hörte sich ein bisschen besorgt an.
»Vielleicht überlegen wir uns das mit dem zweiten Kind noch mal«, sagte der Lehrer.
»Wennâs dafür mal nicht zu spät ist«, sagte seine Frau und lächelte
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