Ella und das große Rennen
sein, der die Schule gebaut hat. Es heißt, er hätte den Weg nach draußen nicht mehr gefunden. Im Keller liegen auch noch seine Winterreifen«, erzählte die Kleine.
»Was war noch? Wartet ... ah ja: Von der Sporthallendecke tropft Wasser, die Köchinnen bringen sich lieber ihr eigenes Essen mit, die Lehrerin der 3G geht mit einem der Sportlehrer aus, und der Lehrer der 5M trägt eine Perücke.«
Wir waren stumm vor Ehrfurcht. Die Kleine hatte in der Schule wirklich viel gelernt und außerdem viel spannendere Dinge als wir. Sie hatte sogar ausgerechnet, wie viele Gummistiefel an einem Regentag durch die Schule trampelten.
»Achttausendsechshundertfünfundsiebzig. Die in der Oberstufe tragen keine mehr, und Seppo aus der 1 Q hat einen da hinten im Graben verloren.«
Die Kleine zeigte zum Ende des riesigen Schulhofs, das auch das Ende der Welt zu sein schien.
»Falls ihr’s nicht wisst, ich heiße Anna«, sagte sie.
Kurz darauf verabschiedeten wir uns von ihr. Wie sie sagte, musste sie die Schuhe eines Sechstklässlers namens Jorma mit Haferbrei füllen gehen. Jorma piesackte einen gewissen Matti und brauchte dringend eine Lektion.
»Tschüs dann, und nehmt euch in Acht vor
dem einen
!«, rief Anna im Weggehen.
»Vor
wem
?«, wollte ich wissen.
»
Dem einen
, sag ich doch«, rief Anna und war verschwunden.
Ehrlich gesagt, war uns jetzt ein bisschen mulmig. Schon die Tante und der Onkel hatten ja von
dem
einen
an der neuen Schule gesprochen, der nicht so nett sein sollte wie alle anderen. Wir wussten echt nicht, was wir tun sollten, und da beschlossen wir, die Frau des Lehrers zu suchen. Aber nur unsere Clique, die anderen blieben auf dem Schulhof.
In der Schule drinnen war es erst nur still und leer, weil ja alle Unterricht hatten. Von einem langen Flur gingen immer neue Flure ab, von denen manche Sackgassen waren und andere immer tiefer in das riesige Gebäude hineinführten. Eine Klimaanlage gluckste, als wären wir im Bauch eines großen Tieres gelandet.
»Wohin jetzt?«, fragte ich, als wir wieder einmal an eine Weggabelung kamen. In beiden Richtungen reihte sich Tür an Tür, und alle sahen gleich aus.
»Der schnurrbärtige Onkel hat doch gesagt, dass er uns ein Klassenzimmer auf dem Dachboden besorgen will«, erinnerte sich Tiina.
»Und Anna hat gesagt, dass dort das Skelett von dem Architekten steht«, sagte ich erschrocken.
»Vielleicht ist es nur unser neuer Lehrer«, vermutete Hanna.
»Ich brech ihm alle Knochen, wenn er mich so unterrichten will«, drohte der Rambo.
»Ich schenk ihm das Akkordeon. Oder meint ihr, dass das beim Spielen zu sehr klappert?«, fragte Pekka, der anscheinend keine Lust mehr hatte, sich mit dem schweren Ding abzuschleppen. »Das Akkordeon allein ginge noch«, erklärte er uns. »Aber Martti wiegt so viel, seit er den ganzen Eimer Erdbeermarmelade in sich reingestopft hat.«
Vielleicht hat das jetzt witzig geklungen, aber wir fanden das alles ganz schön gruselig. Wer möchte denn auch ein Skelett als Lehrer haben? Mit einem hohlen Kopf! Das geht doch nicht! Und eine Schulnacht ginge mit dem schon gar nicht. Die soll zwar ein bisschen gruselig sein, aber so gruselig auch wieder nicht.
Wir gingen also lieber nicht auf den Dachboden, sondern nahmen die erstbeste Tür im Flur links.
Hinter der Tür war ein Werkraum. Das vermuteten wir jedenfalls, weil so viel Sägemehl in der Luft war, dass man erst kaum was erkennen konnte. Dann tauchten alle möglichen Bohr-, Hobel- und Schleifmaschinen aus dem Sägemehlnebel auf. Sie machten einen solchen Höllenkrach, dass man sein eigenes Wort nicht verstand. An langen Reihen von Werkbänken drängelten sich Schüler, die anscheinend alle werken wollten, aber immer erst ein paar andere wegschubsen mussten. Alle schrien durcheinander und fuchtelten mit ihren Werkzeugen herum.
Mitten in dem Getöse stand aufrecht wie ein Leuchtturm ein großer grauhaariger Mann. Er trug einen langen grauen Kittel, eine Schutzbrille und Ohrenschützer. Das musste der Werklehrer sein.
»Entschuldigung«, sagte ich und zupfte an seinem Kittel.
»Holt euch Holz aus dem Holzlager!«, sagte der Mann mit einer Stimme wie ein Nebelhorn.
»Wir brauchen kein Holz, wir suchen unser Klassenzimmer«, erklärte ihm Hanna.
»Markiert die Schnittlinie mithilfe eines Anschlagwinkels und nehmt dann die Säge! Für die Löcher nehmt ihr den Bohrer. Benutzt euren Kopf, aber nur mit Schutzhelm!«, sagte der Mann.
»Das Klassenzimmer!«, schrien wir alle
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