Ella und der Neue in der Klasse
Glücksspiele verboten. Von mir aus könnt ihr singen, aber ich sing nicht mit.«
Diesmal sang der Kinderchor von einem Kapitän, der aufs weite Meer hinausschaut, und wir sangen noch mal das Lied von dem Pechvogel mit den Ziegeln, weil wir das am lautesten können. Wir sangen sogar sehr laut, aber wir mussten zugeben, dass der Chor noch lauter sang.
Inzwischen hatten sich eine Menge Leute auf dem Bahnhofsplatz versammelt, und als wir aufhörten, klatschten sie wie verrückt. Nur die, die sich mit beiden Händen die Ohren zuhielten, klatschten nicht, weil sie ja nicht konnten. Oder sie hörten nicht, dass wir aufhörten, und klatschten deshalb nicht. Wir hielten Ausschau, ob vielleicht Paavos Vater unter den Leuten war. Wir wussten jetzt ja wenigstens, dass er blendend aussah. Aber von der zweiten Reihe an sah man außer großen Füßen und Jackenzipfeln gar nichts. Von oben hätte man tausendmal besser gesehen.
Der Chor sang gleich noch ein Lied über den himmlischen Gesang der Engel, und wir sangen das Pechvogellied noch mal von vorn, aber der Chor sang wieder lauter. Wahrscheinlich lag es daran, dass sie von oben runtersangen. Als wir diesmal fertig waren, klatschte niemand mehr. Die Leute hielten sich jetzt alle die Ohren zu.
Wir beschlossen, es noch ein letztes Mal zu versuchen, und diesmal schmetterten wir das Pechvogellied so laut, dass ein paar kleine Kinder weinen mussten, ein paar ältere Leute ihre Regenschirme aufspannten und alle anderen schnell vom Bahnhofsplatz verschwanden. Der Chor sang jetzt von Nils Holgersson, der mit den Wildgänsen fliegt, und für eine Weile sah es so aus, als könnte der Sängerkrieg unentschieden ausgehen. Aber dann wurde der Chor auf einmal leiser. Bei der dritten Strophe des Pechvogellieds war der Chor schon klar auf der Verliererstraße, und die vierte Strophe mussten wir gar nicht mehr singen. Als wir mit der dritten fertig waren, hörte man den Chor nur noch leise piepsen.
»Sie sind nicht gegen uns angekommen«, freute sich Hanna.
»Sie haben aufgegeben«, freute sich Tiina.
»Lasst uns zu ihnen raufklettern«, freute ich mich.
Aber das war leichter gesagt als getan. Der Heißluftballon schwebte nämlich plötzlich viel höher als zuvor. Tatsächlich war er schon so weit oben, dass wir kaum noch hören konnten, was der Chor überhaupt sang.
»Wir haben gewonnen!«, freute sich Pekka.
»Die Feiglinge machen sich aus dem Staub«, sagte der Rambo verächtlich.
»Wie konnte das passieren?«, wunderte ich mich. »Die waren doch am Geländer festgebunden.«
»Das war kein Problem«, sagte Pekka. »Der Knoten war überhaupt nicht fest.«
Erst ärgerten wir uns natürlich ein bisschen, dass wir nicht von oben Ausschau halten konnten, obwohl wir ja gewonnen hatten. Aber es war auch nicht so schlimm. Es gab sowieso niemanden mehr, nach dem man Ausschau halten konnte, denn der Bahnhofsplatz war jetzt menschenleer. Sogar Paavo war verschwunden, jedenfalls war er nirgends zu sehen.
»Wo ist Paavo?«, wunderte sich Hanna als Erste.
»Weißt du ’s?«, fragte ich Timo. Ich hatte nämlich gesehen, dass er Paavo mitten im Singen was zugeflüstert hatte.
»Wieso ich ?«, sagte Timo
Aber ich fand, er guckte dabei ein bisschen komisch.
Geld
Autos brausten in alle Himmelsrichtungen. Auf den Bürgersteigen eilten Menschen, als hätten sie schrecklich wichtige Dinge zu erledigen. Busse brummten, Ampeln leuchteten und machten Piepgeräusche für Menschen, die sie nicht sehen konnten. Um uns herum tobte die Stadt.
Wir schauten die große Straße hinunter, die vom Bahnhofsplatz abging, aber auch da war Paavo nicht zu sehen. Es war, als hätte die Stadt ihn verschluckt wie ein Hecht einen armen Frosch. Oder eigentlich wie ein Löwe einen putzigen Hamster, überlegte ich. Und alle zusammen überlegten wir uns, ob Paavo womöglich doch seinen Vater in der Menschenmenge entdeckt hatte und ihm hinterhergegangen war, während wir anderen gesungen hatten.
»Oder er konnte die Schmach nicht ertragen«, sagte Timo.
Im selben Moment bemerkte ich, dass Hanna weinte, aber nicht so, dass man es hörte, sondern auf die stille Art der Frauen in alten Liebesfilmen, wenn niemand was vom Sturm der Gefühle in ihrem Innern wissen soll.
»Was ist los?«, flüsterte ich ihr zu.
»Es ist alles verdorben«, sagte Hanna.
»Wieso das denn?«
»Ich sollte doch in seinem neuen Film mitspielen dürfen«, schniefte Hanna und wischte sich eine Träne von der Wange.
Ich nahm Hanna in den Arm, und
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